offen, aber — fangen die Schranken nicht schon an, sich zu senken?
Nein! Aber in Sekunden sinken sie hernieder! Fast wie im Sprung
überfliegt der D-Zug die Kreuzungsstelle. Hinter dem letzten Wagen,
ihn fast noch streifend, schlagen die Gitterbäume nieder und nur
um weniges später schwankt der andere Zug über dieselbe Stelle.
„Gerade noch durchgekommen!“ frohlockt der Heizer, doch das
Gesicht des Führers behält seinen stetigen, ernsten Ausdruck und
schaut gerade voraus.
Endlich erreicht der Zug sein Ziel. Froh, daß die lange Fahrt
vorbei ist, klettern die Fahrgäste aus den Wagen und zerstreuen
sich nach allen Richtungen. Auch der Lokomotivführer kann jetzt
seinen Stand, seinen verantwortungsvollen Posten verlassen, aber
das Bedürfnis nach Erholung und Zerstreuung lockt den Ermüdeten
noch zu einigen Stunden heiteren Verweilens unter Kameraden.
Ist schon zur guten Jahreszeit der Dienst des Lokomotivführers
ein schwerer und nervenangreifender, so steigern sich die Strapazen
im Winter, wenn Sturm und Schneegestöber, vereint mit raben¬
finsterer Nacht, jede Beobachtung der Strecke fast zur Unmöglichkeit
machen; wenn hohe Schneewehen gleich riesigen Dämmen sich auf
dem Gleis gelagert haben und die Weiterfahrt hindern; wenn Glatteis
den Zug an der Entfaltung seiner vorgeschriebenen Schnelligkeit
hindert und starrer Frost das rollende Material spröde macht, daß
es springt wie Glas. Wenn der Sturm die Telegraphenstangen umlegt
und auf den Bahnkörper wirft oder im Forst Zweige und Äste oder
ganze Stämme hinschleudert, daß sie wie eine Barrikade den Weg
versperren! Was unter solchen Verhältnissen an Mut, zäher Aus¬
dauer, Energie und peinlichster Gewissenhaftigkeit geleistet wird
von den Männern, die, ganz auf sich allein angewiesen, vorn auf der
Lokomotive stehen, könnte Bände füllen! Doch niemand schreibt sie.
Und keiner der Reisenden, die glücklich und unbeschädigt ihr
Ziel erreicht haben, denkt beim Verlassen des Wagens auch nur
noch mit einem Gedanken an den Mann, in dessen Hand so lange
Stunden ihr Leben ruhte, der sie in treuer Pflichterfüllung sicher
führte durch Sturm und Wetter und Graus! Er selber aber macht
sicher kein Aufhebens davon, sondern wandert nach Haus, froh,
daß das schwere Werk gelang. Die innere Zufriedenheit ist stets
sein schönster Lohn!