der Zug aussah wie ein Winkel. Sie sangen das Reiselied nach der be¬
kannten Gänsemelodie: „Gickgack, gickgack". Dann flogen sie fort, hoch
hinweg über Banmwipfel, Türme und Bergspitzen, um im Februar oder
März zu den alten Brüteplätzen zurückzukehren. Der Jäger hört wohl ihr
lautes Geschrei; allein seine Büchse kann die Kugel nicht so hoch hinauf¬
senden. Zu Abend aber suchen sich die Vögel ein einsames Plätzchen ans
für die Nachtrast. Sie schauen sich vorsichtig um, ob auch alles sicher ist,
und der Schütze muß sehr schlau sein und sich bereits vorher sehr gut ver¬
steckt haben, wenn er eine Wildgans zum Schusse bekommen will. Der
Jäger merkt sich die Plätze, um die Wildgünse zu bekommen.
Hat er etwa einer den Flügel zerschossen, sodaß sie nicht mehr zu
entfliehen vermag, so kann er sie leicht zu den zahmen Günsen gesellen. Sie
vertragen sich gut; denn die zahmen Gänse stammen eben von den wilden
Graugänsen ab. Viele zahme Gänse haben auch noch die graue Farbe der
wilden; nur fliegen können sie nicht mehr so gut, da sie es nicht von klein
auf ordentlich üben. Sie reisen lieber zu Fuß vom Stalle nach der Wiese
und dem Teiche und von da wieder zurück nach dem Hofe, bis sie ihre
letzte Reise in die Küche antreten. Wagner, Entdeckungsweisen in Stadt und Land.
6. Aufl. Leipzig, Spamer, 1903. S. 52.
230. Deutsche Stelzvögel. B°n Alfred Brehm.
VlTtt den Ufern der deutschen Flüsse und Seen und in den Binsen und
%\ in dem Röhricht sumpfiger Wiesen treibt sich eine Sippe von Stelz¬
vögeln umher, die durch ihr sonderbares Treiben von jeher die Auf¬
merksamkeit des Volkes erregten.
Bei gewitterschwüler Luft wirst du in der Nähe der Gewässer zu¬
weilen eine pfeifende Stimme vernehmen, sie rührt vom Regenpfeifer-
her, der dir damit baldigen Regen ankündet. Er ist ein mittelgroßer
Vogel mit schwachem Schnabel, langen, spitzen Flügeln und einen:
sandgrauen Gefieder, das an der Stirn mit einem schmalen, schwarzen
Bande geziert ist. Er treibt sich vom Morgen bis zum Abend und vom
Abend bis zum Morgen munter umher und scheint nur gelegentlich ein¬
mal auf kurze Zeit zu schlafen. Seine Bewegungen sind leicht, er kann
ungemein schnell laufen imb vortrefflich fliegen. Seine Nahrung besteht
aus verschiedenen Kerbtieren und deren Larven, er wendet die Steine
um, jagt selbst im Wasser, trinkt oft und viel und badet täglich. Sein
Nest ist eine einfache Vertiefung, die sich das Weibchen auskratzt und
zugerundet hat, steht regelmäßig auf kiesigen Strecken der Flußufer und
enthält vier niedliche Eier, die in der Farbe den Kieseln täuschend ähnlich
sehen und immer so geordnet sind, daß sie die Spitze nach dem Mittel¬
punkt des Nestes kehren.
Des Regenpfeifers Vetter ist der Kiebitz, der sich am liebsten in
Sümpfen ansiedelt. Er zeichnet sich durch eine große Vorsicht und Reg-
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