Full text: Neuntes Schuljahr (B)

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von Schwelle zu Schwelle aus und ein 
und kauert am Herde und bläst in die Flammen 
und schmiedet den Tag mit dem Tage zusammen 
Herzliebe Litern, drum nicht verzagt! 
Und habt ihr euch redlich gemüht und geplagt 
ein langes, schweres Leben lang, 
so wird auch euch bei der Tage Neigen 
ein Feierabend vom Himmel steigen. 
wir Hungens sind jung — wir haben Kraft, 
uns ist der Ulut noch nicht erschlafft, 
wir wissen zu ringen mit Not und Mühn, 
wir wissen, wo blaue Glücksblumen blühn; 
bald kehren wir lachend heim nach Haus 
und jagen Frau Sorge zur Tür hinaus. 
Hermann Sudermann. 
5. Der Geist des Salomo. 
Ein ehrlicher Greis trug des Tages Last und Hitze, sein Feld mit 
eigner Hand zu pflügen und mit eigner Hand den reinen Samen in den 
lockern Schoß der willigen Erde zu streuen. 
Aus einmal stand unter dem breiten Schatten einer Linde eine gött¬ 
liche Erscheinung vor ihm da. Der Greis stutzte. 
„Ich bin Salomo," sagte mit vertraulicher Stimme die Erscheinung; 
„was machst du hier, Alter?" 
„Wenn du Salomo bist," versetzte der Alte, „wie kannst du fragen? 
Du schicktest mich in meiner Jugend zu der Ameise; ich sah ihren Wandel 
und lernte von ihr fleißig sein und sammeln. Was ich da lernte, das 
tu' ich noch." — 
„Du hast deine Lektion nur halb gelernt," versetzte der Geist; „geh 
noch einmal hin zur Ameise, und lerne nun auch von ihr in dem Winter 
deiner Jahre ruhen und des Gesammelten genießen!" 
Gottho'd Ephr. Lcssing. 
6. Friede auf Erden. 
Eine niedersächsische Weihnachtserzählung. 
(Gekürzt.) 
Zur Einführung: Das Dorf Fichtenhagen rüstet sich zur Weihnachtsfeier; der 
treffliche Kantor Kocring (S. Teil IIIA, Nr. 184: Sonntagmorgen auf dem Lande) hat 
für die kirchliche Feier einen Posaunenchor eingeübt und für seinen vorzüglich ge¬ 
schulten Schülerchor eine Motette komponiert. 
In allen Häusern herrscht freudige Aufregung, nur in einem Hause wohnt Trauer 
und tiefste Niedergeschlagenheit, das ist das Haus des Schneidermeisters Linseler. Sein
	        
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