Full text: [Theil 2 = Mittelstufe, [Schülerband]] (Theil 2 = Mittelstufe, [Schülerband])

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Zunge gute Dienste. Diese ist lang und dünn, hart und spitz wie 
eine Nadel, und er vermag sie sehr weit aus dem donnbel von 
ustrecken. Nit ihr fährt er in die Wurmlöcher hinein ud volt die 
Maden heraus, die er um so besser fasen kann, da die Zunge wie 
5 ein Pfeil mit vielen kleinen Wiederhaken verveben isn In Wunles 
fehlt ihm freilich diese Fleischnahrung, und er muß vieh nach andore 
Kost umsehen. Dann sucht er Bucheckern und Haselnũsse, oder fabt 
mit den Füten die Tannzapfen und pickt die Samenlornelen leraus. 
Die groben, tiefen Löcher, die der Specht in de Banne einhaut, 
10 Kommen andern kleinen Vögeln sehr zu statten; denn Meisen und 
Staare benutzen sie als Wobnung. So ist der Specht recht eigent- 
lieh der Vögel Zimmermann, der hnen Häuser baut. Er hack auuch 
für sieh ein wohl zwei Spännen langes Loch schräg in den Baum, 
erweitert es dann inwendig und glättet ganz sauber die Wände ene 
s sichern Gemaches. Vorsichtig trägt er alle Späne ein gutes Stũek 
vom Baume weg, damit niemand merke, dab oèr hier sein Nest hat 
In dasselbe legt das Weibehen auf feine Holæspäne oder Wurmmehl 
sehöne, weibe Bier und brütet die sungen aus. Eifrigst fliegen dann 
beide Alten herum und bringen unermüdlich Putter ur die Rleinonm 
115. Nach oben. 
Seidl. 
20 Nach oben zeigen die Wipfel all', 
nach oben steigt der Lerche Schall, 
nach oben schaun die Blümelein, 
nach oben lockt sie der Sonne Schein. 
Nach oben glänzen die Wasser mild, 
drum glänzt auf ihnen des Himmels 
Bild. 
Der steile Berg in die Lüfte klar 
strebt auf, ein riesiger Weihaltar. 
Inder Stadtgehtkreuzundquer der Lauf, 
die Türme zeigen zum Himmel hinauf. 
Im Grabe ruhet der Todte fein, 
das Kreuz darauf ladet nach oben ein. 
Nach oben ruft dich gar dringend das 
Wort, 
und du träumst hier unten fort. 
O Mensch, gen Himmel fuhr Jesus 
Christ; 
nach oben! Dein Wandel im Himmel ist. 
116. Erdbeerliedchen. 
Krummacher. 
z0 Ein Mägdlein an des Felsen Rand 
ein nacktes Erdbeersträuchlein fand, 
von Sturm und Regengüͤssen 
zerzaust und losgerissen. 
Da sprach das Mägdlein leise: 
Du arme, nackte Waise, 
komm mit mir in das Gärtchen mein, 
du sollst mir wie ein Kindlein sein! 
Drauf macht' es wohl die Würzlein los 
und trug das Pflänzchen in dem Schooß, 
io und spähte, still und wonnig, 
ein Plätzchen kühl und sonnig, 
und wühlte in der Erde 
mit emsiger Geberde, 
und pflanzte nun das Pflänzchen drein 
und sprach: Das soll dein Bettchen sein! 
Und als die Frühlingszeit erschien, 
begann das Pflänzchen schön zu blühn, 
wie sieben weiße Sterne; 
das sah das Mägdlein gerne; 
die wurden sieben Beeren, 
als ob's Rubinen wären. 
„Gelt,“sprach's, „es will nun dankbar sein 
und meint, ich sei sein Mütterlein.“
	        
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