Full text: [Teil 4 = 5. Schulj, [Schülerband]] (Teil 4 = 5. Schulj, [Schülerband])

188, Kaiser Rudolfs Ritt zum Srabe. 
uf der Burg zu Germersheim, 
stark am Geist, am Leibe 
schwach, 
sitzt der greise Kaiser Rudolf, 
spielend das gewohnte Schach. 
2. Und er spricht: „Ihr guten 
Meister 
Ärzte, sagt mir ohne Zagen, 
wann aus dem zerbrochnen Leib 
wird der Geist zu Gott getragen?" 
3. Und die Meister sprechen: 
„Herr, 
wohl noch heut erscheint die 
Stunde". 
Freundlich lächelnd spricht der 
Greis: 
„Meister, Dank für diese Kunde!" 
4. „Auf nach Speier! Auf nach 
Speier!" 
ruft er, als das Spiel geendet, 
„wo so mancher deutsche Held 
liegt begraben, sei's vollendet! 
5. Blast die Hörner! Bringt das 
Roß, 
das mich oft zur Schlacht ge¬ 
tragen!" 
Zaudernd stehn die Diener all, 
doch erruft: „Folgt ohne Zagen!" 
6. Und das Schlachtroß wird 
gebracht. 
„Nicht zum Kampf, zum ew'gen 
Frieden", 
spricht er, „trage, treuer Freund, 
jetztdenHerrn,denlebensmüden!" 
7. Weinend steht der Diener 
Schar, 
als der Greis auf hohem Rosse, 
rechts und links ein Kapellan, 
zieht, halb Leich', aus seinem 
Schlosse. 
8. Trauernd neigt des Schlosses 
Lind' 
vor ihn: ihre Äste nieder, 
Vögel, die in ihrer Hut, 
singen wehmutsvolle Lieder. 
9. Mancher eilt des Wegs daher, 
der gehört die bange Sage, 
sieht des Helden sterbend Bild 
und bricht aus in laute Klage. 
10. Aber nur von Himmelslust 
spricht der Greis mit jenen zweien, 
lächelnd blickt sein Angesicht, 
als ritt' er zur Lust im Maien. 
11. Von dem hohen Dom zu 
Speier 
hört man dumpf die Glocken 
schallen. 
Ritter, Bürger, zarte Frauen 
weinend ihm entgegen wallen. 
12. In den hohen Kaisersaal 
ist er rasch noch eingetreten; 
sitzend dort auf goldnem Stuhl, 
hört man für das Volk ihn beten.
	        
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