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am tiefsten empfinden. Dort entwickeln sich zur Zeit der Überschwem¬
mungen besonders Bilder von unsäglicher Melancholie, und im Sommer
hat diese Landschaft mit ihren alten Bäumen etwas durchaus Monumen¬
tales ; man wandelt wie in einem Dom unter den hohen Pappeln der Neu-
hauser Chaussee, die hoch über uns ihre Üste zusammenwölben, aber
zwischen den Stämmen hindurch uns einen freien Blick gewähren über
weite wiesen, die dann und wann unterbrochen werden durch Baum¬
gruppen und kleinere Gewässer.
Wandern wir weiter nach pirscham zu, da herrscht wieder das Idyl¬
lische vor. Besonders im Frühling, wenn die vielen Dbstbäume in voller
Blüte stehen, ist dieses Stückchen Landschaft von einer berückenden Trau¬
lichkeit, zumal es durch das Wasser ringsum wie eine Insel abgeschlossen
erscheint. Das Wasser ist es aber auch hier wieder, was uns fortwährend
tausend neue Bilder erscheinen läßt. Welche Farbenfreudigkeit an schö¬
nen Herbsttagen, wenn die Kastanien auf dem Damm schon gelb und goldig
von der Lonne durchleuchtet sich in dem Wasser spiegeln und lichte Ge¬
stalten in Hellen Kleidern auf dem Damm und in den Kähnen auf dem
Wasser das Ganze beleben. Ein solches an sich heiteres Bild muß auch
durch fröhliche Menschen belebt werden, ebenso wie man in Gedanken
von jenem Frühlingsbild mit den blühenden Gbstbäumen und dem alten
Wirtschaftshause im Hintergrund ein paar spielende Kinder auf der wiese
kaum trennen kann. Kuch durch die Spuren alter Kultur hat pirscham
noch einen besonderen Beiz. Das alte Landhaus, jetzt Kestauration und
auch als solche noch wirklich idyllisch, und dann die kleine Waldkapelle,
wie liegen sie traulich zwischen den Bäumen und wollen uns allerlei Ge¬
schichten erzählen aus der alten Zeit, da hier ein frommer Einsiedler hauste
in trauter Gemeinschaft mit den Vögeln unter den Bäumen und mit inniger
Zuneigung die Natur belauschte in ihren zartesten Kegungen vom ersten
Sprossen des Frühlings, bis der herbst kam und alles Leben von der
Erde Abschied nahm und der Winter dann seine weiße Schneedecke über
den Wald warf, daß er still und träumend da lag wie jetzt noch. Ja,
so ein Wald im Winter ist von bezauberndem Keiz in seiner unglaub¬
lichen Schlichtheit, wenn nur die grauen Baumstämme aus der weißen
Schneedecke aufragen, wie wenig ist noch dem Großstadtbewohner die
Schönheit des winterlichen Waldes bekannt, hat er ihn doch meistens
kaum in der Sommerfrische genossen,- erst der neu entdeckte Wintersport
führt ihn auch hier wieder mit der Natur zusammen. Ich rate euch
sehr, einmal im Winter hier heraus zu wandern,- ihr werdet eure
Freude daran haben. Buch noch ein Stück weiter läßt sich wandern
nach Neuhaus zu. Die Landschaft bleibt hier in der Hauptsache dieselbe,
es wiederholt sich in tausend Variationen dasselbe Motiv: ein weg, der
sich durch wiesen schlängelt, ein weiter Horizont und hier und dort
hoch aufragend mächtige Baumgruppen, nur selten trifft man auf zu¬
sammenhängendere Waldungen. Das Nadelholz fehlt in den Oder¬
niederungen gänzlich, weiden, Pappeln, Küstern und Lichen sind hier
die charakteristischen Baumarten.