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jede Unannehmlichkeit sollst du meiden. Um Kriege und Ge¬
schäfte hast du dich nicht zu kümmern, darfst nur darauf bedacht
sein, mit den köstlichsten Speisen und Getränken dich zu laben,
auf einem weichen Lager zu schlafen und den Genuß aller dieser
Dinge dir ohne Mühe und Arbeit zu verschaffen.“
Verwundert sah sie Herkules an. Sie war schön von Ge¬
stalt, und um die Locken ihres Hauptes hatte sie einen Kranz
von frischen Blumen gewunden. „Weib,“ fragte er, „wie ist dein
Name?“
„Meine Freunde,“ antwortete sie, „nennen mich Glückselig¬
keit, meine Feinde hingegen das Laster.“
Unterdessen war auch die andere Frau herzugetreten. Auch
sie war schön, aber bescheiden und einfach gekleidet, ihre Haltung
war sittsam und fleckenlos weiß ihr Gewand.
„Wisse vor allem,“ sprach sie, „daß die ewigen Götter den
Menschen nichts ohne Kampf und Mühe gewähren. Ich kann
dich nicht durch blumige Auen führen. Im Schweiße deines
Angesichts soll dir dein Brot werden, Arbeit, Mühe und Kampf
wird dein Los sein; aber Speise, Trank und Schlaf werden dir
besser munden, nachdem du tapfer gekämpft hast, und wenn du
einmal aus dieser Welt scheidest, so wird man dich nicht ver¬
gessen, sondern noch lange deinen Namen rühmend nennen,
und du wirst dir einen Platz unter den seligen Göttern errungen
haben.“
Es war die Göttin „Tugend“, die also geredet hatte. Ohne
Zaudern reichte der Jüngling der Tugend die Hand; aber von
jetzt an hatte er sein ganzes Leben hindurch Kämpfe und Müh¬
seligkeiten aller Art ZU bestehen. Nach Q. Schwab u. J. Carl.
165. Die Hochzeit des Peleus und der Thetis.
Als Peleus, ein König in Thessalien, seine Vermählung mit der
Meergöttin Thetis feierte, waren alle Götter und Göttinnen zum Feste
eingeladen außer Eris, der Göttin der Zwietracht, weil man befürchtete,
sie würde nach ihrer Gewohnheit Zank und Hader stiften und die Heiter¬
keit des Festes stören. Aus Ingrimm über diese Zurücksetzung sann sie
auf Rache. Während sich alle Gäste der Freude des Festes hingaben,
öffnete sie die Tür des Saales und ließ einen goldenen Apfel mit der
Aufschrift: „Der Schönsten!" über den Fußboden hinrollen. Kaum aber
hatten die Göttinnen den Apfel und seine Aufschrift gesehen, als sich ein