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ufern das Treiben der Flößer und das Ende der Flöße mit ansehen. Die
letzteren werden auseinandergebrochen, die einzelnen Stämme werden durch
vorgespannte Pferde aus den Kies herausgeschleist und aus Wagen verladen.
Dann verschwinden die Bäume in den unersättlichen Rachen der
Münchener Sägemühlen, und statt des rauschenden Bergwindes, der einst
durch ihre Aste sang und ihre hohen Wipfel umwehte, hören sie nur den
unermüdlichen, rastlos arbeitenden Eisenzahn, der ihren schönen, schlanken
Wuchs zerteilt. M. Haushofer. (Aus der „Woche".)
223. Einzug der winters ins bayrische Hochland.
Fast unmittelbar, ehe der erste Schnee kommt, wird es noch ein¬
mal warm und milde; ein rauschender Föhn geht durch die Lust, die
blau ist wie der Himmel des Südens. Dieses Zeichen ist säst untrüglich.
„Morgen gibt's Schnee!" sagt der Bauer und beschleunigt sein Tagewerk.
Und er hat recht. Denn wenn wir morgen erwachen, dann ist
der Himmel bleischwer und grau; Nebelwolken umhüllen die Gipfel
der Berge, und schauerlich schwarz sind unter ihrem Drucke die breiten
Tannenwälder, die den See umsäumen. Tin eisiger hauch zieht über
das düstere Bild; aber noch ist alles stumm und regungslos — noch
eine stunde lang — noch wenige Minuten, — dann wachen die Lebens¬
kräfte aus, die in dieser Finsternis verborgen sind, — der Darups beginnt.
Mie mit rasendem Stoße bricht der Sturmwind hervor aus dieser
finsteren Umwölkung; es heult und braust über den See herüber, daß
die Mögen mit weißen Kämmen sich bäumen, und am hellen Tage
wird es dunkel. Und nun sängt es aus einmal an zu schneien; die
brütende Stille und der brausende Sturm werden abgelöst durch ein
tausendfältiges, stockiges Gewirr: der Schnee, unermeßlicher Schnee beginnt
zu fallen.
Stunde um Stunde, Tag und Nacht, ohne Ende und Unterlaß
sinken die weißen Massen; schon am nächsten Morgen ist kein j)fad
mehr sichtbar, und so geht es weiter. Mie die Flut bei Überschwemmungen
steigt und wächst, so wächst der Schnee über der armen Erde; die Bäume
brechen, die Dächer stöhnen: sie können ihn nicht mehr tragen.
2. Der Mensch aber sitzt schlaflos in seiner Kammer und lauscht
dem Sturme; wie mag es jetzt erst brausen aus dem Meere? Das ist
derselbe Nord, der gestern noch die Mögen des Ozeans emporgetürmt
hat, und heute jauchzt er um die Felsenzacken der Berge und legt in
ihren verborgenen Klüften die Grüße des Meeres nieder.
Eine volle Moche lang wütet dieser ^amps der Elemente, immer
neuer Schnee, immer neuer Schnee; haushoch steigen die weißen Mauern,
und die niedere, bleierne Lust lastet daraus wie der Deckel aus einem