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den Weg zur Kirche entlang. Die Kirche liegt hoch, dort weiß er es
geborgen. Wie die wilde Jagd geht's auf dem holperigen Wege entlang.
Er fühlt nicht den eisigen Wind, der ihm gerade entgegenkommt. „Nur
vorwärts, vorwärts!" denkt er. Die schwerfälligen Kühe rasen mit hoch¬
gehobenem Schwänze vor ihm her, aber immer geht es ihm noch nicht
schnell genug. Bald muß er rechts, bald links über den Graben
springen und nebenherlaufen, um sie zusammenzuhalten. Er hört die
Sturmglocke auf dem Kirchturm läuten, um auch fernen Dörfern die
Gefahr anzudeuten. Endlich ist er da. Er läßt sein Vieh im Schnee
und Winde stehen und eilt zurück. Der Atem will ihm versagen, das
Blut hämmert ihm in den Schläfen — er achtet nicht darauf und stürmt
weiter. Nur weiter!-
3. Er ist wieder daheim. Wie er ins Haus tritt, hört er seine Frau
jammern: „Mutter, Mutter! Um Gottes willen halt dich fest!" Da
sieht er auf der Leiter, die zum Boden führt, auf den Armen seines
Weibes seine Mutter. Er stürzt die halbe Treppe hinauf, trägt stöhnend
die alte Frau nach oben, kehrt um und nimmt sein Weib, welches sich
halb ohnmächtig durch die Anstrengungen an die Leiter klammerte, auf
die Arme. Nun sind alle auf dem Boden. Die Kinder wühlen in
einem Haufen Stroh, Großmutter sitzt in ihrem Lehnstuhle und zittert
vor Kälte und jammert: „Nein, nein! Was soll ich hier? Bringt
mich wieder hinunter! Hier ist es zu kalt, viel zu kalt! Ich will in
die warme Stube!" — „Mutter, das Wasser kommt!" schreit Hans ihr
ins Ohr. — „Wasser?" fragt sie, „ja, ja! Aber recht heiß!" — „Der
Deich ist gebrochen!" — „Der Deich? Ja, ich weiß, es ist Gefahr am
Deich." — Kopfschüttelnd wendet Hans sich ab und blickt die Leiter
hinunter. Da ist es! Da kommt es! — Als wäre großes Reinemachen
im Hause, als hätte man einen Eimer Wasser ausgegossen, rieselt es
unten von der Tür her über den Steinboden. „Es kommt! Es kommt!"
ruft er und eilt die Leiter hinab, um noch auf den Boden zu retten,
was er findet. Hans eilt in die Stube und von der Stube in die
Kammer. Zwei mächtige Bettstücke hat er ergriffen und trägt sie nach
oben. Dann holt er die Kaffeekanne und Tassen und gibt der Großmutter
eine heiße Tasse Kaffee zu trinken. Das tut ihr gut. Und wieder steigt
er hinab und holt Janns Wiege. Mit nassen Füßen kommt er oben an,
das Wasser quietscht ihm in den Stiefeln. Und noch einmal geht er hinunter.
Er überlegt nicht mehr, was notwendig ist; er nimmt, was er gerade findet.
Das Wasser steht schon in allen Stuben und Kammern und reicht ihm
bis zum Knie. Zitternd und mit steifen Beinen kehrt er zurück.
4. „Wie kalt ist es! Wie kalt!" jammert die Großmutter. „Macht
Feuer an!" ruft sie. Ja, ein Feuer muß angezündet werden. Zum letzten¬