Full text: Für das sechste und siebente Schuljahr (Teil 3)

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den Weg zur Kirche entlang. Die Kirche liegt hoch, dort weiß er es 
geborgen. Wie die wilde Jagd geht's auf dem holperigen Wege entlang. 
Er fühlt nicht den eisigen Wind, der ihm gerade entgegenkommt. „Nur 
vorwärts, vorwärts!" denkt er. Die schwerfälligen Kühe rasen mit hoch¬ 
gehobenem Schwänze vor ihm her, aber immer geht es ihm noch nicht 
schnell genug. Bald muß er rechts, bald links über den Graben 
springen und nebenherlaufen, um sie zusammenzuhalten. Er hört die 
Sturmglocke auf dem Kirchturm läuten, um auch fernen Dörfern die 
Gefahr anzudeuten. Endlich ist er da. Er läßt sein Vieh im Schnee 
und Winde stehen und eilt zurück. Der Atem will ihm versagen, das 
Blut hämmert ihm in den Schläfen — er achtet nicht darauf und stürmt 
weiter. Nur weiter!- 
3. Er ist wieder daheim. Wie er ins Haus tritt, hört er seine Frau 
jammern: „Mutter, Mutter! Um Gottes willen halt dich fest!" Da 
sieht er auf der Leiter, die zum Boden führt, auf den Armen seines 
Weibes seine Mutter. Er stürzt die halbe Treppe hinauf, trägt stöhnend 
die alte Frau nach oben, kehrt um und nimmt sein Weib, welches sich 
halb ohnmächtig durch die Anstrengungen an die Leiter klammerte, auf 
die Arme. Nun sind alle auf dem Boden. Die Kinder wühlen in 
einem Haufen Stroh, Großmutter sitzt in ihrem Lehnstuhle und zittert 
vor Kälte und jammert: „Nein, nein! Was soll ich hier? Bringt 
mich wieder hinunter! Hier ist es zu kalt, viel zu kalt! Ich will in 
die warme Stube!" — „Mutter, das Wasser kommt!" schreit Hans ihr 
ins Ohr. — „Wasser?" fragt sie, „ja, ja! Aber recht heiß!" — „Der 
Deich ist gebrochen!" — „Der Deich? Ja, ich weiß, es ist Gefahr am 
Deich." — Kopfschüttelnd wendet Hans sich ab und blickt die Leiter 
hinunter. Da ist es! Da kommt es! — Als wäre großes Reinemachen 
im Hause, als hätte man einen Eimer Wasser ausgegossen, rieselt es 
unten von der Tür her über den Steinboden. „Es kommt! Es kommt!" 
ruft er und eilt die Leiter hinab, um noch auf den Boden zu retten, 
was er findet. Hans eilt in die Stube und von der Stube in die 
Kammer. Zwei mächtige Bettstücke hat er ergriffen und trägt sie nach 
oben. Dann holt er die Kaffeekanne und Tassen und gibt der Großmutter 
eine heiße Tasse Kaffee zu trinken. Das tut ihr gut. Und wieder steigt 
er hinab und holt Janns Wiege. Mit nassen Füßen kommt er oben an, 
das Wasser quietscht ihm in den Stiefeln. Und noch einmal geht er hinunter. 
Er überlegt nicht mehr, was notwendig ist; er nimmt, was er gerade findet. 
Das Wasser steht schon in allen Stuben und Kammern und reicht ihm 
bis zum Knie. Zitternd und mit steifen Beinen kehrt er zurück. 
4. „Wie kalt ist es! Wie kalt!" jammert die Großmutter. „Macht 
Feuer an!" ruft sie. Ja, ein Feuer muß angezündet werden. Zum letzten¬
	        
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