Full text: [Teil 3b = 9. Schulj] (Teil 3b = 9. Schulj)

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stunde miteinander, bis dann die ersten Bauernwagen die lange Straße 
herabklapperten und sich auf dem Markte ausstellten. 
Es kam anders, Herr Lehrer. Der Krieg*) brach aus und niemand 
hatte Zeit, noch au sich selbst zu denken. Eines Mittags, da zuerst die 
Freischaren mit ihren Schlapphüten und Pistolen in die Stadt kamen, 
steht ein großer, bärtiger Mann vor mir und reicht mir seinen Quartier- 
zettel. Es schoß mir in die Knie, da ich ihm ins Gesicht blickte. Es war 
mein Bruder. „Christian!" rief ich, „was in Gottes Namen willst du 
jetzt hier?" „Meta," sagt er, „das Herz ist immer noch zu Haus; es 
hat mir keine Ruh' gelassen!" — Und so hatte er das Geschäft einem 
Kompagnon anvertraut und Frau und Kind bei seinen Schwiegereltern 
untergebracht. 
Unsre guten Leute wurden in die Fremde getrieben, und die Frem¬ 
den kamen und setzten sich im Lande fest. Mein Bruder saß wieder drüben 
in seinem Geschäft und bei seinen Büchern. Ich will keinem unrecht tun; 
aber er mochte es doch wohl nicht in den rechten Händen gelassen haben; 
denn es war mir nicht entgangen, daß zwischen ihm und unserm Herrn 
plötzlich ein eiliges Schreiben hin und wieder lief; und als ich gelegentlich 
anfragte, drückte der Herr mir die Hand und sagte: „Sorge nur nicht 
zu sehr, Meta; in dem Kampfe um die alte Heimat ist er mit einer 
Schmarre davongekommen; er muß nun hinterher noch um die neue 
kämpfen; aber du weißt, dein Bruder ist ein tüchtiger Mann; und nun 
laß uns sorgen und geh du in deine Küche!" Ich sorgte aber doch; denn 
von Ehrenfried hatte ich gehört, daß auch unsern Herrn Senator schwere 
Verluste getroffen hatten. 
4. Mittlerweile wurde es wieder einmal Frühling, und es war mir fast, 
als wenn es von der Sonne käme, die nun so hell in den dunklen Laden 
schien, daß Ehrenfried eines Morgens wieder von einem Hauskauf zu 
reden anfing, und daß wir uns dann endlich das Wort gaben, auf den 
Herbst unsre Sache in Ordnung zu bringen. Wir hatten es schon auf 
den nächsten Sonntag festgesetzt, daß wir der Herrschaft unsre Heim¬ 
lichkeit offenbaren wollten; da, am Freitag nachmittag — wir sollten 
auf den Abend eine kleine Gesellschaft haben, und ich war eben auf meine 
Kammer gegangen, um mich ein wenig anzukleiden — bringt mir der 
Ladenbursche einen Brief von meinem Bruder. Und da stand es denn 
geschrieben: er war am Bankrott. Aber mein Kapital, was ich von 
unserm Vater hatte, das — so schrieb er — konnte ihn noch retten. 
Ich verschloß den Unglücksbrief in meine Schatulle; dann entsann ich 
mich, daß noch Radieschen zum Nachtisch aus dem Garten geholt werden 
sollten. Ich nahm ein Körbchen und schlich die Treppe hinab, um un¬ 
*) Der schleswig-holsteinische Befreiungskrieg 1849 und 1850-
	        
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