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136. Ein Altmeister deutscher Malerei.
von 5lugustin Wibbelt.
Unser Rltmeister trägt den echtdeutschen Namen Richter und den
echt deutschen Vornamen Ludwig. Deutsch ist sein wackeres herz,
und deutsch ist seine Kunst, viele hundert Bilder hat er gemalt und
gezeichnet, und damit hat er einen Schatz ausgeschüttet von Schönheit
und Heiterkeit, wie sie nur aus reiner Seele und tiefem Gemüte quel¬
len können. In seine Bilder sich vertiefen, ihre warme Sinnigkeit,
ihre herzliche Innigkeit, ihre sonntägliche Schönheit, ihren goldenen
Humor auf sich wirken lassen, das ist ein Fest für die Seele.
lvie malt er den Wald! Ja, das ist unser lieber Wald mit
seinen mächtigen Stämmen und seinen hohen Wipfeln in seiner krau¬
sen Urwüchsigkeit, voll geheimnisvollen Dunkels. Man kann sie alle
erkennen, die Bäume in ihrer besondern Rrt, von der knorrigen
Eiche bis zur schlanken Tanne, und doch wachsen und weben sie mit¬
einander und ineinander zu hohen Hallen und weiten Wölbungen und
undurchdringlichem Dickicht. Das ist der Wald, wo irre Sonnenlichter
auf Farnwedeln tanzen und mit leise lachenden (Quellen spielen, der
Wald, aus dem die Rehe lugen mit scheuen Bugen, der Wald, in dem
man sich träumend verlieren möchte. Meister Richter kann ihn malen.
Wie malt er die Rinder! Nicht bloß kleine Menschen mit drol¬
ligen Gebärden, sondern Rinder sind es, wie sie draußen spielen und
tollen aus grüner Flur und mitunter auch ernsthaft und nachdenklich
ihre Sachen treiben oder friedsam schlummern in ihrer Unschuld. Das
sind rechte Rindergesichter und nicht eins wie das andere, sondern
Rnospen, die zu mannigfaltigen Blüten sich öffnen werden. Mit Liebe
malt der gute Meister das Rindervolk und malt das Helle Rinder¬
lachen mit hinein.
Wie malt er das Haus und den häuslichen Herd! Wie lieblich
winken die Blumen in seinen bescheidenen Gärtchen, und wie gastlich
ladet die Tür und daneben die Bank im Kühlen Schatten! Und
drinnen waltet ein guter Geist. Da wohnt nicht der Glanz des Reich¬
tums, da haust bürgerliche Schlichtheit, bieder und gemütlich, und die
trauliche Lampe lächelt freundlich in alle Ecken hinein. Man möchte
gleich einkehren bei ihm, so fühlt man sich angeheimelt.
Wie malt er die Rrbeit! Richt die drückende, quälende und
mißmutige Rrbeit, den Frondienst, der das herz verbittert und die
Stirne finster beschattet, sondern die frische, rüstige Tätigkeit, in der
die Muskeln sich spannen und die Brust sich weitet. Es ist Rrbeit in
Freude, Rrbeit in Segen, und lächelnd schaut der Greis hinüber von
seinem Ruhesitze und möchte noch gern dabei sein.