Full text: [Bd. 3 B = Oberstufe d. Mädchen, (7. - 9. Schulj.)] (Bd. 3 B = Oberstufe d. Mädchen, (7. - 9. Schulj.))

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1866 und aus Frankreich 1870 eine Siegesdepesche nach der 
andern ihr schickte, wenn dann die Scharen des treuen Volkes 
stundenlang vor ihrem Palais Unter den Linden sich drängten, 
um auf die ersehnte Kunde zu warten, und wenn sie sie ihnen 
vorlesen ließ, ein Hurra und Hoch nach dem andern und ein 
Lied um das andere zum Himmel stieg und der Jubel vom 
Palais bis in die abgelegenste Kammer sich wälzte: dann hat 
auch ihr das Herz allmählich höher geschlagen, und sie hat es 
gefühlt, daß es etwas Großes sei, von Gott an die Spitze des 
deutschen Volkes gestellt zu sein. Sie hat aber noch Größeres 
in jenen großen Tagen gewußt als Botschaft zu tragen zwi¬ 
schen König und Volk. Das rote Kreuz im weißen Felde wurde 
ihr Banner, das weithin verkündete: „Hier schweigt der Kampf, 
und die barmherzige Liebe, die einstmals am Kreuze starb, führt 
hier das Zepter.“ Sie sind nicht zu zählen, die dem Roten Kreuze 
ihr Leben verdanken. Überall entstanden auf ihren Antrieb 
Vereine, Krankenpfleger und -pflegerinnen wurden ausgebildet 
und, als der Krieg 1866 ausbrach und die Cholera wie ein 
Geier hinter ihm herflog, mit in das Feld geschickt. An zwölf 
Millionen Mark kamen damals zu solchem Liebeswerk zusammen. 
Die Königin selbst, mit dem roten Kreuze am Arm, besuchte 
unermüdlich die Krankenhäuser im Lande, reiste zu den öster¬ 
reichischen Gefangenen nach Magdeburg und vergaß auch nicht, 
Dolmetscher mitzunehmen, damit sie sich mit den Tschechen, 
Slowaken und Ungarn in ihrer Zunge einlassen könne. Als 
aber das Dank- und Friedensfest am 11. November gefeiert 
ward, da rief sie noch desselbigen Tages den Vaterländischen 
Frauen verein ins Leben, damit auch die Frauen im ganzen 
Lande zu gemeinsamem Liebesdienst für Kriegs- und Friedens¬ 
nöte die Hände sich reichten. 
Kaum hatten das Rote Kreuz und der Vaterländische Frau¬ 
enverein ihre Lehrjahre hinter sich, so mußten sie auch schon 
ihr Meisterstück machen. Die Franzosen gönnten’s den Deut¬ 
schen nicht, daß sie nicht mehr so uneins wie ehedem waren, 
und hoben im Jahre 1870 einen gewaltigen Krieg an. Da 
prallten Millionen von Streitern aufeinander, und es gab viele 
Tausende von Verwundeten und Kranken. Aber noch niemals 
zuvor sind von den Verwundeten und Kranken im Verhältnis 
so viele geheilt und dem Leben erhalten worden als in diesem 
gewaltigen Krieg. Wie mancher Vater, Bruder und Ehemann, der 
lange und schwer im Lazarett gelegen und dem Tod schon die 
Hand gereicht hatte, ist dennoch wieder in die Arme der Seinen
	        
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