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also auch einen Namen geben kann. Und weißt du wol,
wie ich sie taufe? Frühlingsglöckchen soll sie heißen. Ist
nicht ihr Kelch ganz ähnlich der Gestalt einer Glocke?
Diese Blumen sind meine Glocken, die allemal läuten sollen,
wenn ich nach dir auf der Erde einziehe.“
Allein der Winter wollte nichts von den Frühlings—
glöckchen wissen und meinte gar, den Namen hätte der
Frühling ihm zu Spott und Aerger erfunden, als ob die
Blümchen läuteten und sich freuten, daß er fortginge, wenn
der Frühling käme.
Da sie nun wieder heftiger aneinder kamen, so hielten
sie endlich für's Beste, wieder den lieben Gott die Sache
entscheiden zu lassen.
Als der nun gehört hatte, um was es sich handele,
sprach er also: „Da der Eine so viel Recht an der Blume
hat, wie der Andere, so haben auch Beide gleiches Recht,
ihr einen Namen zu geben. Du, Winter, hast sie also
Schneeblume, und du, Frühling, Frühlingsglöckchen getauft,
Da nun die Blume bloß einen Namen haben kann, so will
ich aus des Winters Namen den Schnee nehmen und aus
dem des Frühlings das Glöckchen, und soll also die Blume
Schneeglöckchen heißen auf immer, damit auch im Namen
ein Jeder von euch sein Recht behalte. Und nun geht und
zankt euch nicht wieder!“
Der Frühling sowol als der Winter waren mit dieser
Entscheidung zufrieden und gingen ihrer Wege. Denn obwol
ein Jeder sich selber die Blume ganz und gar am liebsten
gegönnt hätte, so sagte ihnen doch ihr Herz, daß der liebe
Gott recht und billig gerichtet hatte.
Aber auf sein letztes Gebot hatten sie nicht gehört,
denn wie alle W.! weiß, zanken sie sich noch alle Jahre.
Der Winter will länger da bleiben als er soll, und den
Frühling nicht hereinlassen, und da streiten sie sich mit