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Licht zu erzeugen. Da also der Wasserfall sein Dasein der Arbeit
des Sonnenlichtes verdankt, sind wir berechtigt zu sagen, daß das
Sonnenlicht es ist, das die elektrischen Wagen in Gebirgsgegen¬
den treibt oder nachts mittels elektrischer Bogenlampen die Dunkel¬
heit verscheucht. In all diesen Fällen hat man die Kraft des Was¬
sers zum Arbeiten benutzt. Aber das ist nur unter der Voraussetzung
möglich, daß das Wasser Gefälle hat. An einem völlig ebenen
Lande kann man das Wasser nicht zum Arbeiten gebrauchen. Aber
wie hilft man sich dort? Da benutzt man den Wind, und wir wis¬
sen schon, wenn wir einmal in einem Sturm waren, was für eine
Kraft der hat. Woher kommt aber der Wind?
Erinnert euch einmal, tute ihr am Mittagstische sitzt! Die
heiße Suppe und die heißen Kartoffeln lassen immerzu Dampf auf¬
steigen; ihr blast aus eurem Munde Luft hinein, und der Dampf
fliegt weg. Oder haltet einmal die Hand vor den Mund und blast
dagegen. Ihr fühlt, das ist Wind. Entsteht nun der Wind, der
die Mühlen treibt, ebenfalls dadurch, daß vielleicht ein ungeheuer
großer Mann aus seinem ungeheuer großen Munde Luft ausbläst,
die wir kleinen Menschlein als Wind empfinden? Nein, nirgendwo
gibt es einen so ungeheuer großen Mann, überhaupt gibt es keine
Menschen, die auch nur um Armeslänge größer wären, als die
großen Leute bei uns sind. Der Wind entsteht auf ganz andere Weise.
Wenn sich draußen im Sonnenschein nicht das leiseste Lüftchen
regt, dann spürt man dennoch auf der Schattenseite etwas Kühlung
und Luftzug. Die kühlere Luft des Schattens bleibt nämlich nicht
unbewegt stehen, sondern fließt nach den wärmeren Sonnenschein¬
stellen ab, die wärmere Luft aber, die im hellen Sonnenschein liegt,
bleibt nicht immer da liegen, sondern fließt dorthin, wo die kühle
Schattenluft weggeflossen ist. Und dadurch entsteht ein Lnfthauch
oder kleiner Wind. Nun ist die Erde eine große Kugel wie eine
ungeheure Kegelkugel und dreht sich immer herum, eine Hälfte ist
im Sonnenlicht, die andere im Schatten, den wir Nacht nennen.
Da, wo es Elefanten und Krokodile und Tiger gibt, in Indien
und Afrika, da scheint die Sonne am allerheißesten, so heiß wie
niemals bei uns. Wenn wir aber nach Norden gehen, wird es
immer kälter, und am Nordpol der Erde ist alles zu Eis gefroren.
Am Nordpol ist eisig kalte schwere Luft, in Indien und Afrika ist
heiße Luft. Die kalte Luft fließt vom Nordpol weg in der Rich¬
tung auf Afrika und Indien, wo die heiße Luft ist, und die heiße
Luft steigt dort in die Höhe uub fließt nach der Richtung zum kalten
Nordpol ab. Dieses Fließen der Luft wird von uns als Wind
empfunden.
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