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wie leicht sie einer geringen Anstrengung nachgeben und den Abhang
hinabstürzen. Aber kein Lärm wird gehört, während sie Hinabrollen,
kein Echo wird von den Felswänden zurückgeworfen. Es herrscht
Totenstille ans dem Monde. Tausend Trommeln könnten in dieser
luftleeren Welt geschlagen, tausend Kanonen abgefeuert werden —
und nicht der geringste Schall wäre zu hören. Lippen könnten sich
bewegen, Zungen könnten zu sprechen versuchen — sie würden aber
nicht imstande sein, die ewige Stille zu brechen.
Außer den Tausenden von Sternen und der strahlenden Sonne
steht auf dem schwarzen Himmel noch ein sonderbarer Himmels¬
körper. Als der Morgen begann, stand dieser mondähnliche Körper
auf dein Himmel wie ein großer Halbmond. Während die Vor¬
mittagsstunden vorgeschritten sind, haben wir ihn fortwährend auf
demselben Platze des Himmels gesehen; er ist aber nach und nach
schmaler geworden, wie die Sonne höher und höher stieg, und er
bildet nun, da die Sonne in seine Nähe gekommen ist, nur einen
ganz schmalen Lichtbogen, genau wie der Mond kurz vor Neu¬
mond.
Was ist das für ein unbekannter Körper, den wir nie auf dem
Himmel der Erde gesehen haben? Es ist die Erde selbst! Auf
der Erde haben wir uns oft eingebildet, der Mond sei der Diener
der Erde, dazu bestimmt, seine Laterne für uns während der Nacht
zu halten. Lächerliche Eitelkeit! Hier auf dem Monde sehen wir,
daß unsere stolze Erde dazu herabgedrückt ist, der Mond des
Mondes zu sein.
Neunundzwanzigmat langsamer als auf der Erde kürzen sich
die Schatten, bis die Sonne ihre größte Höhe erreicht. Dann ist es
Mittag auf dem Monde. Auf allen Seiten, den schwarzen Himmel
ausgenommen, sehen wir jetzt nichts als blendende Klarheit. Die
Nachmittagsschatten kommen nur langsam, träge legt die Dunkelheit
sich über die Täler und kriecht mit abgemessenen Schritten die Berg¬
abhänge hinauf. Endlich, 175 Stunden nach Mittag, 350 Stunden
nach dem Anfange des Morgens, nähert sich die Zeit des Sonnen¬
unterganges. Der Untergang der Sonne wird von keiner Abend¬
röte begleitet. Die Sonne nähert sich dem dunklen Gesichtskreise,
ohne das geringste von ihrem Glanze zu verlieren. Ihre Scheibe
berührt den Horizont, ihre Farbe aber bleibt unverändert. Die kurz
dauernde Dämmerung tritt nur dann ein, wenn nur eben der obere
schmale Bogen der Sonnenscheibe sichtbar ist. Und gleich darauf
breitet sich der Nachthimmel über die Landschaft aus. Dieser An¬
blick ist sicher das Schönste, was ein Aufenthalt auf dem Monde
darbietet.