Full text: Grundriß der preußisch-deutschen sozialpolitischen und Volkswirtschafts-Geschichte

Der Handel. 
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Fabrikanten, die die Aufnahmefähigkeit des erschöpften Festland- 
Marktes weit überschätzt hatten, warfen die aufgestauten Massen 
ihrer Erzeugnisse zu Schleuderpreisen auf diesen Markt, und so 
verlor der deutsche Handel in Deutschland selbst an Boden. Lang¬ 
sam besserten sich dann die Verhältnisse; ein entschiedener Fortschritt 
fand seit 1840 statt. Damals bildeten die landwirtschaftlichen Er¬ 
zeugnisse Getreide, Holz und Wolle noch 250/0 der Gesamtausfuhr. 
Der Handel in Erzeugnissen des Gewerbfleißes entwickelte sich nun 
rascher, da man 1851—61 nach dem Vorgänge Englands die Ein¬ 
fuhrzölle für Rohstoffe, deren die Fabriken bedurften, ermäßigte und 
infolgedessen die Preise der erzeugten Waren für das Ausland 
niedriger stellen konnte. Die bedeutende Ermäßigung der Zölle, 
zu welcher die von Rich. Cobden empfohlene und von England 
vertretene Freihandelspolitik führte, beförderte seit der Mitte der 
fünfziger Jahre den Welthandel ungemein. Preußen hatte dies 
längst angestrebt. Durch den Handelsvertrag mit Frankreich 1862 
brachte es den Zollverein zu dem ersten vollständigen Tarif von 1865. 
Aber die Zeit des Freihandels dauerte nicht lange. Da andere 
Länder wieder Zollerhöhungen vornahmen, so konnte Deutschland 
nicht zurückbleiben, wollte es sich nicht vom Auslande, besonders 
von England auszehren lassen. Es zeigte sich mehr und mehr, daß 
die deutsche Eisenindustrie mit der englischen, was Preis und Güte 
der Waren betraf, noch nicht konkurrieren könne. So unterlagen 
schon 1875 aus dem volkswirtschaftlichen Kongreß zu München die 
Freihändler, und es wurde eine Erklärung gegen weitere Ermäßigung 
der Zölle auf Jndustriewaren angenommen. Bismarck suchte nun, 
als er 1878 die Achse der gesamten deutschen Zollpolitik mit ge¬ 
waltigem Ruck verschob, nicht bloß der Landwirtschaft sondern auch 
der Industrie zu helfen und ihr besonders den heimischen Markt 
zurückzugeben. Die Eisenzölle wurden erhöht. Doch hatte hiervon 
die Industrie mehr Vorteil als der Handel. Dieser wünschte ohne 
Rücksicht auf die Industrie die freieste Bewegung und lehnte jede 
Staatshülse z. B. die von Bismarck 1879 angebotene surtaxe 
d’entrepôt ab. Wohl aber war ihm das neuerstandene Reich, 
dessen Macht und Ansehen von der ganzen Welt anerkannt wurde, 
eine mächtige Hülfe. Zum ersten Mal wurde dem deutschen Kauf¬ 
mann Schutz gegen Gewalttat und Sicherung der Rechtshülfe in
	        
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