Full text: [Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1] (Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1)

Wir sechs Geschwister wurden alle durch Tat und Beispiel streng 
erzogen. Liebe zum Vaterlande war uns, ich weiß nicht wie, tief einge¬ 
prägt; gesprochen wurde zwar nicht davon, aber es kam bei den Eltern 
nie etwas vor, aus dem eine andre Gesinnung hervorgeleuchtet hätte; wir 
hielten unsern Fürsten für den besten, den es geben könnte, unser Land 
für das gesegnetste unter allen; es füllt mir ein, daß mein vierter Bruder, 
der von uns hernach am frühesten und längsten im Ausland leben mußte, 
als Kind ans der hessischen Landkarte alle Städte größer und alle Flüsse 
dicker malte.- 
Wir wurden bei einem Stadtpräzeptor Zinckhahn unterrichtet, von 
dem wenig zu lernen war außer Fleiß und strenge Aufmerksamkeit, aber 
aus dessen charakteristischem Benehmen uns eine Menge ergötzlicher Späße, 
Redensarten und Manieren zurückgeblieben ist. Den Zeiger ans dem 
weißen Zifferblatt der nämlichen Wanduhr, die schon damals in der 
elterlichen Stube stand und noch jetzt in meiner Wohnung geht, sehe ich 
mir manchmal darauf an, ob er mir die Ankunft oder das ersehnte Weg¬ 
gehen des Schulmeisters in dem himmelblauen Rock mit schwarzer Hose 
und Weste ankündige. 
Bald wurde es notwendig, auf unsere gründlichere Unterweisung 
Bedacht zu nehmen. Das Vermögen der Mutter war schmal, und sie 
hätte uns sechs Kinder schwer auferziehen können, wenn nicht eine ihrer 
Schwestern, Henriette Philippine Zimmer, die bei der hochseligen Kur¬ 
fürstin oder damaligen Landgräfin von Hessen erste Kammerfrau und von 
der reinsten, aufopfernden Liebe zu uns beseelt war, sie treulich unterstützt 
hatte. Diese ließ mich und meinen Bruder Wilhelm also im Jahre 1799 
nach Kassel kommen und in Kost geben, damit wir uns auf dem dortigen 
Lyzeum ausbilden sollten. Ich konnte erst in Unterquarta aufgenommen 
werden, so sehr war ich noch zurück, aber nicht durch meine Schuld, 
sondern durch bloßen Mangel an Unterricht, denn ich hatte von Jugend 
ans eine ungeduldige, anhaltende Lernbegierde. Jetzt rückte ich schnell durch 
alle Klassen hinauf und war wohl fast immer Primus. 
Neben täglichen sechs Stunden auf dem Lyzeum brachte ich mit 
meinem Bruder noch wenigstens vier oder fünf Stunden täglich in Privat¬ 
lehrstunden bei dem Pagenhofmeister Dietmar Stöhr zu, einem Manne, 
der, was ihm an tieferer Kenntnis abging, durch Freude am Unterricht, 
liebreiche Geduld und wahre Teilnahme an uns hinlänglich ersetzte. Er 
half im Lateinischen nach und lehrte besonders französische Sprache. 
Im Frühjahr 1802, ein Jahr früher als Wilhelm, der um diese 
Zeit lange und gefährlich kränkelte, bezog ich die Universität Marburg. 
Die Trennung von ihm, mit dem ich stets zusammen gewesen war, ging 
mir sehr nahe; allein es galt, der geliebten Mutter, deren Vermögen fast 
zusammen geschmolzen war, durch eine zeitige Beendigung meiner Studien 
und den Erfolg einer gewünschten Anstellung einen Teil ihrer Sorge
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.