Full text: [Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1] (Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1)

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gerät zuwendet und ein paar winzige Füllungen des Morgenpfeifchens 
mit sichtlichem Behagen durch Mund und Nase verpafft, ehe sie schnell 
aufspringt und in die Tagesordnung eintritt. Daß sie selbst früher, ehe 
das leidige Asthma sie zu plagen begann, sich ebenfalls diesem von den 
Japanerinnen so hochgeschätzten Rauchgenusse bei nüchternem Magen hin¬ 
zugeben Pflegte, hat die Großmutter beinahe ganz vergessen; jedenfalls gilt 
ihr dieses sich jeden Morgen wiederholende Bild einer jungen Frau, die 
in der Zeit, wo sich die meiste Arbeit zusammendrängt, zwei bis drei 
Minuten mit Rauchblasen vergeudet, als einer der vielen Beweise dafür, 
daß die Menschen immer schlechter werden. 
Das Lösen des grünen Moskitonetzes, das fast das ganze Zimmer 
füllt und die ganze Familie in seinem Schutz barg, das Zusammenlegen 
der Steppdecken und der Kopfkissen aus Holz und Samt und das Fort¬ 
packen von beiden in den Wandschränken hinter den Schiebetüren mit 
goldbetupften Tapeten geschieht in schleunigem Tempo, da zwei Mägde, 
die Hausfrau, das älteste Fräulein und die Großmutter wetteifernd Hand 
anlegen. Die männlichen Familienmitglieder, die gewaschen und gekämmt 
mit ihren Zahnbürstenkästen aus dem Badezimmer zurückkehren, das allen 
Hausbewohnern als Waschgelegenheit dient, finden schon die Matten frei, 
die kleinen Tischchen hingestellt, auf denen das Frühstück serviert werden 
soll, und die kleinen Sitzkissen an Ort und Stelle, auf denen sie Platz 
nehmen werden, wenn alles bereit ist. Für die Kinder und Mägde ist 
in einem Nebenraum der meist sehr großen und hohen Küche der Apparat 
von Tischchen, Tabletts, Eßstüben und Kohlenbecken zurechtgestellt, die in 
Japan zu der Hauptmahlzeit des Frühstücks gehören. Wenn die Magd 
den großen Kübel mit Reis hereinbringt, aus dem sie jedem, der ihr seine 
Schale reicht, ein paar Kellen der klebrigen weißen Körner auffüllt, beginnt 
das Schlürfen, Schlucken, Kauen und Stäbchenklappern in einem beneidens¬ 
wert schnellen Tempo. Es geht in willkürlicher Abwechslung immer hin 
und her zwischen der heißen salzigen Misosuppe, den Bohnenpräparaten 
und Omelettes, den Fischen und Muscheln, dem Seetang und dem Reis, 
bis die sauber geleerte Reisschale zum letztenmal der Magd auf das ent¬ 
gegengehaltene Tablett gestellt und statt das Reises Tee verlangt wird. 
Denn mit einem heißen grünen Aufguß das reichlich genossene Frühstück 
herunterznspülen, ist in Japan eine ebenso feststehende Sitte wie das 
„Gesegnete Mahlzeit wünschen" nach einem deutschen Diner. 
Die Hausfrau hat aber auch höhere Pflichten nicht vergessen. Vor¬ 
dem Familienschrein, auf dem die Glücksgötter thronen, und über dem 
eine seltsam gezeichnete Darstellung des feuerumrahmten Fudosama als 
Hüngebild an der Wand prangt, hat sie die Messingbecher frisch mit 
Reis gefüllt, eine Räucherstange angezündet und händeklatschend die 
Götter gerufen, damit sie sehen, wie sie hier hockt, sich tief verbeugt 
und emporblickend ihr Gebet hinaufschickt zu den Himmelshöhen. Ein
	        
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