Full text: [Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1] (Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1)

Reiskörner glänzen wie die Wachsperlen. Dazwischen drängt sich der von 
der Ausfahrt des Herrn zurückgekehrte Wagenzieher an den Brunnen, um 
in kräftigerem Takte die Eimer an der Rolle herauf- und herabzuziehen, 
bis die große Familienbadewanne, die er angeheizt hat, gefüllt ist, und 
bis die tönernen Behälter daneben, aus denen man sich kalt übergießen 
kann, nur gerade noch die Schöpfkelle ohne Überlaufen fassen können. 
Wenn der Kanonenschuß vom Astronomischen Observatorium her die 
Mittagsstunde der japanischen Zeit verkündet, läßt in ganz Japan alles 
die Arbeit liegen, um den gerade um diese Zeit unbezähmbaren Hunger 
zu stillen. Wer in Japan für einen großen Betrieb die Hausordnung 
feststellt, ohne zwischen zwölf und halb ein Uhr das Essen in Bereitschaft 
zu stellen, ist ein unbrauchbarer Organisator. 
Die Nachmittagsstunden haben im japanischen Haushalte keine so 
straffe Ordnung. Da finden die Mägde Zeit, sich von der jeden vierten 
Tag erscheinenden Friseuse den Haaraufbau zurechtmachen zu lassen, je 
nach ihrem Lebensalter: in drei Ringen oder Schmetterlingsform, wenn 
sie noch recht jung sind oder scheinen wollen, gerundet, wenn sie ihrem 
Lebensalter nach schon hätten verheiratet sein sollen oder es sind, bis 
herab zu dem kurzgeschnittenen Haar, das sich Großmütter und greise 
Dienerinnen gestatten, die auf den in Japan dem Alter willig entgegen¬ 
gebrachten Respekt Anspruch haben. Zu Näharbeiten, Besorgungen, zum 
Einmachen und Pökeln für die Vorratskammer ist am Nachmittage leicht 
Zeit zu finden. Dann kommen die Kinder aus der Schule, bringen Leben 
und allerlei Berichte über wunderbares Gehörte, Gelernte und Gesehene 
ins Haus. Mit Schularbeiten plagen sich in Japan nur Minderbegabte 
und hervorragend ehrgeizige Kinder zu Haufe länger als eine halbe 
Stunde. Es bleibt also für Mädchen reichlich Zeit, um Musik und 
Tanzbewegungen japanischen Stils im Hause zu erlernen. Knaben brauchen 
ihre Freistunden, um sich sportlich zu trainieren, damit sie ihrer Schule 
und ihrer Familie Ehre machen. Die Amerikaner in Iokohama haben 
sich schon ganz daran gewöhnt, daß sie in ihrem nationalen base-ball 
von den Schülern des ersten Gymnasiums in Tokio jahraus jahrein 
geschlagen werden. 
Wenn dann auch der Hausherr zwischen fünf und sechs Uhr heim¬ 
gekehrt ist, es sich bequem gemacht und ein Bad genommen hat, wird von 
der vereinigten Familie die Abendmahlzeit wieder gemeinsam eingenommen. 
Dann nimmt die Unterhaltung einen lebhafteren Gang an. Der Vater, 
der ja alles wissen muß, wird vou den Kindern ebenso eindringlich aus¬ 
gefragt, wie er sich durch Examinieren und Einblick in die Schulhefte 
von dem Fortschritt seiner Pflegebefohlenen überzeugt. Dann wird es 
Zeit, das Bad zu nehmen; in feststehender Reihenfolge steigen Mutter, 
Kinder, Dienerinnen und Wagenzieher nacheinander in das heiße Wasser, 
das dem Hausherrn schon vor dem Abendessen zum Bad gedient hat, 
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