179
Schutz um Schutz im langsamen, wohlgezielten Feuer fährt in die Tiefe,
sobald sich dort eine Vorwärtsbewegung zeigt.
5. Die Sonne steigt höher und höher, kein Lüftchen rührt sich, die
Felsen werfen die unbarmherzigen Strahlen des Gestirns zurück, es herrscht
eine wahnsinnige, betäubende Glut und Hitze, doppelt und dreifach fühlbar
für uns, die wir seit dem vorigen Morgen Hunger und Durst leiden.
Ich fürchte ernstlich für die Gesundheit einiger schwächlicherer Reiter und
der Verwundeten, die ohne Sinn und Verstand uns um Wasser bitten,
obwohl sie doch wissen, datz kein Tropfen zu erlangen ist. Sie stehen
furchtbare Qualen aus, da meldet sich Schneidewind und noch ein Braver.
Sie wollen im feindlichen Feuer den Weg in die Tiefe wagen, dort ver¬
suchen, wenigstens etwas Etzbares zu erlangen, und dann sofort zurückkehren.
Im Notfälle sollen sie ein Pferd schlachten, wird ihnen noch nachgerufen.
Es ist Mittag, glutatmender Mittag, als Lampe von vorn mit einer
aufregenden Meldung eintrifft. Soeben ist aus der kleinen Fläche diesseit
des fernen roten Gebirges ein 50 bis 60 Pferde starker Reitertrupp auf
kurze Zeit sichtbar gewesen, im Galopp auf den Rücken der feindlichen
Stellung zujagend. Wer kann das sein? Unsre Tsauchabposten, von deren
Stellung wir unmöglich weit entfernt sein können? Hilfstruppen für Hen¬
drik? Wenn es die Unsern sind, dann ist Hendrik verloren! Aber unsre
Hoffnungen werden bald zunichte: Von vorn kommt die Meldung, datz
der Feind auf allen Seiten seine Stellungen verstärke. Ein Kriegsrat
wird abgehalten, und alle beschäftigen die Fragen: Wie lange können wir
noch ohne Wasser aushalten, und wann wird unsre Munition erschöpft
sein? Es wird beschlossen, den Munitionsverbrauch nach Möglichkeit ein¬
zuschränken.
6. Nach vier Stunden taucht plötzlich das strahlende Gesicht Schneide¬
winds auf, er bringt eine freudige Nachricht. Mit lautem Hallo schwenkt
er in der einen Hand ein Kochgeschirr, in der andern einige gefüllte Wasser¬
säcke: „Wasser!" Von allen Seiten regnet es Fragen: „Mensch, wo ist
denn das Wasser her?" Und noch ganz nutzer Atem vom Steigen berichtet
der Wackere, datz unmittelbar hinter dem Querriegel sich zwischen Schilf
und Rohr eine ausgiebige Wasserstelle befinde. „Hurra, dann haben unsre
armen Pferde, die nun schon 24 Stunden unter dem Sattel stehn, wenigstens
saufen können!" Aber Schneidewind hat noch mehr zu melden; er hat
die Pferde gezählt, und siebzehn, darunter auch das meinige, fehlen. Ihre
Spuren führen nach dem Feinde zu, wahrscheinlich sind sie nachts vom
Hunger getrieben in dem Flußbett vorgelaufen und den Witboois gerade
in die Hände geraten. Das ist ein harter Schlag; aber gleichviel, er wird
aufgehoben durch das Bewußtsein, datz wir Wasser, wenn auch schwer er¬
reichbar, im Notfälle haben. Nun werden die Verwundeten und Schwachen
gelabt, für jeden der Gesunden bleibt kaum ein Schluck. Auch ein Koch-
12*