181
Ich schicke den Brief an Perbandt und rücke dann eilends vor, um
das Begräbnis zu decken. Die Schlucht verbreitert sich, und einige hun¬
dert Meter weiter besetze ich mit meinen Schützen eine niedrige Anhöhe.
Frische Gräber und zahllose Blutspuren sind zu sehen. Dann geht es
weiter; das Gros wird hinter mir in dem Schluchteingang sichtbar. Es
herrscht trübe Stimmung, wie es nach dem Begräbnis so vieler lieber
Kameraden nicht anders möglich ist.
8. Nach eineinhalbstündigem Marsch liegt eine Fläche vor uns, die¬
selbe, die ich von unsrer vordersten Stellung aus bereits am ersten Tage
des Gefechts gesehen hatte. Welch ein Labsal für uns, wieder Sandboden
unter unsern wunden Füßen zu haben und das gelbe Gras zu sehen. Aber
in unsrer Marschrichtung erhebt sich ein neues, riesiges Gebirge. Brandrot
sind die schroffen Abstürze, die spitzen Luppen und scharfen Zacken, und
nur im Süden zeigt sich ein niedrigerer, sattelähnlicher Vergzug. Hierhin
richtet sich unser Marsch. Am Nachmittag erst überschreitet der Haupt-
trupp den Bergzug, nachdem die Avantgarde die Höhen zu beiden Seilen
besetzt hat, und obwohl die Anstrengungen nichts sind im Vergleiche zu denen
der letzten Tage, schleppt sich die Kolonne nur mühsam bergauf über das
Geröll und die spitzen Steine. Vielen bluten die Füße, und wohl keiner
ist mehr im Besitz eines Paares auch nur einigermaßen schützender Stiefel.
Hunger und Durst, die sich in der Mittagshitze wieder brennend fühlbar
machen, haben die Leute entkräftet. Seit drei Tagen hat niemand etwas
genossen außer wenigen Bissen halbrohen, schon faulenden Fleisches, und
wer diese tapfern Krieger so dahinziehen sieht, mit blutenden Händen,
zerrissenen Kleidern und Stiefeln, schmutzstarrend, und die Gesichter rot¬
braun gefärbt, der möchte sie wohl eher für eine Räuberbande, denn für
deutsche Soldaten halten. Eine Reitkuh wird in der Kolonne mitgetrieben,
ein mageres, unglückliches Tier, das man irgendwo aufgegriffen hat. Ein
alter Sattel ist ihr aufgelegt worden, und darauf sind die Habseligkeiten
von uns allen befestigt: einige alte, zerschlissene und angesengte Decken und
zwei bis drei zerbeulte Kochgeschirre. Das ist unser ganzer Besitz.
Kurd Schwabe.
105. Eine Kaffeepflanzung in Deutsch-Ostafrika.
1. Ich ritt durch den regenfeuchten Urwald des Usambaragebirges.
An den Bergwänden empor drängten sich Stamm an Stamm die Riesen¬
bäume und verflochten ihre Äste ineinander, als wollten sie sich gegen¬
seitig halten. Dichtes Gebüsch wucherte am Boden. Weiße Blüten,
rote Glöckckien leuchteten über den dunkeln Blättern. An den Bäumen
kletterten Schlinggewächse hinauf und zogen um die Wipfel einen grünen
Schleier. In der Tiefe rauschte über Felsblöcke der Bergbach. Leicht