IV. Aus der weiten Welt.
249
fischbucht ein. Vorbei ging es an einer langgestreckten Landzunge, die eine Bake
trug, in das weite Becken dieses natürlichen Hafens.
Einige hundert Meter vor den Häusern rasselte der Anker in die Tiefe, die
Maschine stoppte, und unser Kapitän rief uns lustig zu, jetzt sei die Reise beendet.
Mancher, der die tropische Pracht der Küste Liberias staunend bewundert hatte, war
enttäuscht von der Eintönigkeit der Landschaft, die hier vor uns lag. Sand, Sand
und nochmals gelber Sand; kein Baum, kein Strauch war zu sehen; aber über den
Häuschen wehten Fahnen, und mit Freude erkannten wir neben den englischen die
deutschen Farben.
Alle sahen wir ohne Unterlass hinüber nach einem Ruderboote, das sich uns
rasch näherte. Ein Offizier in unserer Uniform sais darin. Dr. Richter und ich riefen
ihm unsere Namen zu. Er antwortete: „Premierleutnant v. François. Wieviel Mann
haben Sie an Bord?“ — „2 Offiziere, 212 Reiter.“ Der Offizier klomm die Bordwand
hinauf und stand unter uns. Auf unsere Fragen, ob Krieg sei, entgegnete er: „Nein,
tiefer Friede!“ Dann gab er seiner Freude über die Stärke unserer Schar Ausdruck,
und wir erfuhren, dass man in Südwestafrika auf höchstens 80 bis 90 Mann ge¬
rechnet hatte.
Zunächst wurden nun die Truppen gelandet. Das war etwas für unsere braven
deutschen Jungen, als sich nahe am Strande auf jedes Boot eine Horde gelbhäutiger
Naman stürzte, um die Insassen durch das seichte Wasser zu tragen. Jmmer wieder konnte
man den Ruf hören: „Die Kerle sehen ja aus wie Chinesen!“ Und wirklich, das war
auch mein erster Eindruck. Die meisten unserer Soldaten sprangen übrigens ins
Wasser und wateten an das Land. Zwischen den Häusern der Walfischbainieder¬
lassung bezogen die Truppen ein Lager. Bald loderten die Feuer auf, und die erste
Mahlzeit in Südwestafrika wurde gekocht. — In den nächsten Tagen hatten wir alle
Hände voll mit dem Löschen der Ladung zu thun. Da waren grosse Mengen Proviant,
Munition, Waffen, Sattelzeug, Baumaterialien und anderes mehr, was gelandet und ver¬
packt werden musste.
Jetzt hofften wir einen möglichst baldigen Abmarsch. Aber hier hiess es gleich,
geduldig abwarten, denn die Ochsen für die vierzehn Wagen, die uns begleiten sollten,
weideten weitab im Graslande, da in der Nähe des Meeres kein Hälmchen wächst.
So wurde es, da die Zugtiere erst geholt werden mussten, der 19., ehe wir abrücken
konnten. Wir marschierten längs des Meeresstrandes nach Swakopmund, der ersten
deutschen Station, während die Wagenkolonne ostwärts ins Innere fuhr, um sich später
wieder mit uns zu vereinigen. Uns begleitete nur eine leichte Ochsenkarre.
Der erste Marsch war für unsere Leute furchtbar mühevoll und anstrengend,
denn die Unmöglichkeit, sich auf dem Schiffe Bewegung zu machen, und die unge¬
wohnte Hitze in den Tropen hatten den Körper erschlafft. Nach Angabe des Leutnants
v. François sollten wir 7 bis 8 Stunden marschieren, und in dieser Zeit kann ein nicht
allzu schlechter Fufsgänger auch den Weg zurücklegen ; wir aber gebrauchten den
ganzen Tag dazu. Anfangs ging alles gut, die Leute sangen und marschierten flott
darauf los. Dann aber, als die Sonne höher stieg und der Sand heifser und heifser
wurde, musste bald Halt gemacht werden. Nach kurzer Rast ging es weiter; die Hitze
war fürchterlich geworden, die Feldflaschen waren längst leer getrunken, und die
Mannschaften litten entsetzlich unter dem brennendsten Durst. Am meisten litten die,
die trotz aller Warnungen Meerwasser tranken, und die, die sich der Fussbekleidung
entledigt hatten und mit blossen Füssen in dem glühenden Sande wateten. Die Marsch¬
ordnung war längst durch Befehl aufgelöst worden: jeder sollte gehen, wo es ihm am
bequemsten war, und so schlichen die armen Jungen, bei jedem Schritt tief einsinkend
in den lockern Sand, auf Kilometer auseinandergezogen, dahin in dem unbarmherzigen
Sonnenbrände. Spät am Abend langten die ersten von uns an der Mündung des