IV. Beruf und öffentliches Leben.
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Riesenarbeit noch nicht genüge, und zu der halb flüssigen Masse wurden
noch dreißig Zentner Erz hinzugetan. Der Erfolg bewies, wie glücklich
der Vorbedacht war; nichts Hütte von herrlicherem Erfolg fein können.
Und nun sollte die Brust der Figur gegossen werden, und der Meister
hatte den kühnen Gedanken, sie in einem Stück auszuführen. Diejenigen,
welche etwa einmal dreißig oder vierzig Zentner glutflüssiges Metall haben
dahinströmen sehen, sind vielleicht erschreckt vor solchem Anblick zurück¬
gebebt. Aber hier waren alleirr für diesen Teil der Statrre vierhundert
Zentner erforderlich; und wie gewaltig das Unternehmen, kann aus der
Tatsache entnommen werden, daß bis jetzt nie mehr als dreihundert
Zentner aus einmal einen Schmelzofen gefüllt hatten.
Aber sieh! die Masse beginnt langsam zu schmelzen, mächtige
Trümmer von Kanonen schwimmen auf der Oberfläche, gleichwie Kähne
auf dem Wasser, und verschwinden dann allmählich wieder. Bald daraus
sieht man zu oberst der Masse eine Kruste sich bilden, die sowohl dem
Schmelzofen, als auch dem Modell, das bereit ist, die flüssige Bronze in
sich aufzunehmen, Gefahr droht. Um zu verhindern, daß diese Rinde sich
bilde, sind sechs Männer Tag und Nacht unausgesetzt damit beschäftigt,
den Lavastrom mit langen eisernen Stangen unlzurühren, aber von Zeit
zu Zeit müssen sie sich zurückziehen, um durch andere ersetzt zu werden;
denn ungeachtet der eingenäßten Bedeckungen sprengt die sengende Hitze
die Haut wie die getrocknete Rinde eines Baumes. Immer noch wurde
der Kessel umgerührt, immer noch wurde das Feuer zu neuen Anstren¬
gungen angeschürt, aber das Metall war noch nicht ganz bereit, so daß
man es hätte fließen lassen können. Stunde für Stunde verging, der
Tag war vorüber, und die Nacht kam heran. Fünf Tage und vier Nächte
lang war das Feuer unterhalten uub zur äußersten Heftigkeit angetrieben
und noch konnte niemand sagen, wie lange dies fortdauern würde. Die
Männer arbeiteten schweigend weiter an ihrer ungeheuren Ausgabe; die
furchtbare Hitze nahm noch immer zu. Ein schreckliches Gewicht lag in
der brennenden Lust und lastete schwer auf den Gemütern, am schwersten
aber auf dem Gemüte dessen, der dieses kühne Unternehmen leitete.
Seit fünf Tagen hatte Meister Miller den Platz nicht verlassen,
sondern wie ein Kolumbus, der in jedem Augenblicke das erwartete Land
aufsteigen zu sehen meint, sah er dem letzten entscheidenden Augenblick
entgegen. Am Abende des fünften Tages behauptete die erschöpfte Natur
ihr Recht und verlangte nach Ruhe; so setzte er sich denn hin, um zu
schlafen. Kaum hatte er seine Augen geschlossen, als seine Frau ihn mit
dem erschreckenden Schrei aufweckte: „Wach auf, wach auf! die Gießerei
brennt!" Und so war es auch. Nichts konnte eine so fürchterliche Hitze
aushalten und ihr Widerstand leisten. Die Balken des Gebäudes fingen
an zu brennen. Das Feuer auf die gewöhnliche Weise zu löschen, war