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I. Die Jahres- und Festzeiten. 
16. Schwert und Wffug. 
1. Einst war ein Graf, so geht die Mär', 
Der fühlte, daß er sterbe; 
Die beiden Söhne rief er her, 
Zu teilen Hab' und Erbe. 
2. Nach einem Pflug, nach einem Schwert 
Rief da der alte Degen. 
Das brachten ihm die Söhne wert; 
Da gab er seinen Segen: 
3. „Mein erster Sohn, mein stärkster 
Sproß, 
Du sollst das Schwert behalten, 
Die Berge mit dem stolzen Schloß 
Und aller Ehren walten! 
4. Doch dir, nicht minder liebes Kind, 
Dir sei der Pflug gegeben; 
Im Tal, wo stille Hütten sind, 
Dort magst du friedlich leben!" 
5. So starb der lebensmüde Greis, 
Als er sein Gut vergeben; 
Die Söhne hielten fein Geheiß 
Treu durch ihr ganzes Leben. 
6. Doch sprecht, was ward denn aus dem 
Stahl, 
Dem Schlosse und dem Krieger? 
Was ward denn aus dem stillen Tal, 
Was aus dem schwachen Pflüger? 
7. O fragt nicht nach der Sage Ziel! 
Euch künden's rings die Gauen: 
Der Berg ist wüst, das Schloß zerfiel, 
Das Schwert ist längst zerhauen. 
8. Doch liegt das Tal voll Herrlichkeit 
Im lichten Sonnenschimmer; 
Da wächst und reift es weit und breit: 
Man ehrt den Pflug noch immer. 
Wolfg. Müller v. Königswinter. 
17. Der Lote im Junius. 
Aber die Lenzgestalt der Natur ist doch wunderschön, wenn 
der Dornstrauch blüht und die Erde mit Gras und Blumen pranget! 
So ein heller Dezembertag ist auch recht schön und dankenswert, 
wenn Berg und Tal in Schnee gekleidet sind und uns Boten in 
der Morgenstunde der Bart reift! Aber die Lenzgestalt der Natur 
ist doch wunderschön! Und der Wald hat Blätter, und der Vogel 
singt, und die Saat schießt Ähren, und dort hängt die Wolke mit 
dem Bogen vom Himmel, und der fruchtbare Regen rauscht herab! 
Wach auf, mein Herz, und singe 
Dem Schöpfer aller Dinge! 
Es ist, als ob er vorüberwandle, und die Natur habe sein 
Kommen von ferne gefühlt und stehe bescheiden am Wege in 
ihrem Feierkleide und frohlocke. m. Claudius. 
18. Das Johanniswürmchen. 
1. Ein Johanniswürmchen saß, 
Seines Demantscheins 
Unbewußt, im weichen Gras 
Eines Bardenhains. 
2. Leise schlich aus faulem Moos 
Sich eiu Ungetüm, 
Eine Kröte, her und schoß 
All ihr Gift nach ihm. 
2. „Ach, was hab’ ich dir getan?“ 
Rief der Wurm ihr zu. 
„Ei,“ fuhr ihn das Untier an, 
„Warum glänzest du?“ 
G. K. Pfeffel.
	        
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