I. Die Jahres- und Festzeiten. 
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32. Kochsomrnerriachl. 
Stille ruht die weite Welt, 
Schlummer füllt des Mondes Horu, 
Das der Herr in Händen hält. 
Nur am Berge rauscht der Born — 
Zu der Ernte Hut bestellt 
Wallen Engel durch das Korn. 
Mart. Greif. 
33. Räteei. 
1. 
Es steht ein groß, geräumig Haus 
Auf unsichtbaren Säulen; 
Es mißt’s und geht’skeinWandrer aus, 
Und keiner darf drin weilen. 
Nach einem unbegriffnen Plan 
Ist es mit Kunst gezimmert; 
Es steckt sich selbst die Lampe an, 
Die es mit Pracht durchschimmert. 
Es hat ein Dach kristallenrein 
Von einem einz'gen Edelstein: 
Doch noch kein Auge schaute 
Den Meister, der es baute. 
2. 
Zwei Eimer sieht man ab und auf 
In einem Brunnen steigen, 
Und schwebt der eine voll herauf, 
Muß sich der andre neigen. 
Sie wandern rastlos hin und her, 
Abwechselnd voll und wieder leer, 
Und bringst du diesen an den Mund, 
Hängt jener in dem tiefsten Grund: 
Nie können sie mit ihren Gaben 
In gleichem Augenblick dich laben. 
3. 
Von Perlen baut sich eine Brücke 
Hoch über einen grauen See; 
Sie baut sich auf im Augenblicke, 
Und schwindelnd steigt sie in die Höh. 
Der höchsten Schiffe höchste Masten 
Ziehn unter ihrem Bogen hin; 
Sie selber trug noch keine Lasten 
Und scheint, wie du ihr nahst, zu 
fliehn. 
Sie wird erst mit dem Strom und 
schwindet, 
So wie des Wassers Flut versiegt. 
So sprich, wo sich die Brücke findet, 
Und wer sie künstlich hat gefügt! 
4. 
Unter allen Schlangen ist eine, 
Auf Erden nicht gezeugt, 
Mit der an Schnelle keine, 
An Wut sich keine vergleicht. 
Sie stürzt mit furchtbarer Stimme 
Auf ihren Raub sich los, 
Vertilgt in einem Grimme 
Den Reiter und sein Roß. 
Sie liebt die höchsten Spitzen; 
Nicht Schloß, nicht Riegel kann 
Vor ihrem Anfall schützen; 
Der Harnisch — lockt sie an. 
Sie bricht wie dünne Halmen 
Den stärksten Baum entzwei; 
Sie kann das Erz zermalmen, 
Wie dicht und fest es sei. 
Und dieses Ungeheuer 
Hat zweimal nie gedroht — 
Es stirbt im eignen Feuer; 
Wie’s tötet, ist es tot! 
Fr. v. Schiller, (i
	        
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