Full text: (Achtes und neuntes Schuljahr) (Teil 4 für Kl. 2 u. 1)

in das bleiche Gesicht. Sie trocknete sich die Augen mit der Schürze: 
„Eu'n Nacht ok," und Hawermann war wieder allein mit seinem 
Kind. 
Er machte das Fenster auf und sah in die Nacht hinein. Sie 
war sehr dunkel für die Jahreszeit, kein Stern stand am Himmel, 
alles war schwarz bezogen und warm und dunstig wehte eine leise Luft 
und seufzte in der Ferne. Vom Felde herüber klang der Schlag der 
Wachtel, und der Wachtelkönig rief seinen Regenruf. Sachte fielen die 
ersten Tropfen auf die durstige Erde, die zum Dank für die Gabe 
den schönsten Geruch aufsteigen ließ, den der Ackersmann kennt, den 
Erddunst, in dem der ganze Segen für seine Mühe und Arbeit schwimmt. 
— Wie oft hatte der ihm die Seele aufgefrischt, die Sorgen verjagt 
und die Hoffnung auf ein gutes Jahr belebt. Nun war er die Sorgen 
los, aber die Freuden auch; eine große Freude war ihm untergegangen 
und hatte all die kleinen mit sich gerissen. Er machte das Fenster 
zu, und als er sich umdrehte, stand sein kleines Töchterchen am Sarge und 
langte vergebens nach dem stillen Gesicht hinauf, als wollte es streicheln. 
Er hob das Kind höher, damit es ankommen könne, und das kleine 
Mädelchen streichelte und eiete mit den warmen Händchen und den 
warmen kindlichen Liebesworten an seinem stillen Mütterchen und an 
dem kalten Tod herum, sah dann den Vater mit seinen großen Augen 
an, als wollte es uach etwas Unbegreiflichem fragen, und lallte,,Mudding 
— huh!" — ,,Ja," sagte Hawermann, ,,Mudding friert," und die 
Tränen stürzten ihm aus den Augen. Er setzte sich auf die alte Kiste, 
nahm sein Töchterchen auf den Schoß und weinte bitterlich. Die Kleine 
sing auch an zu weinen und weinte sich sachte in Schlaf. Er legte sie 
weich an sich und schlug warm seinen Rock um sie; — so saß er die 
Nacht über da und hielt treue Leichenwacht bei seiner Frau und bei 
seinem Glück. 
Am andern Morgen, zeitig um vier Uhr, kam der Vogt mit den 
andern Tagelöhnern. Der Sarg wurde zugeschraubt. Langsam ging der 
Zug nach dem kleinen Kirchhof. Das ganze Gefolge war er mit seinem 
Töchterchen. Der Sarg wurde in die Gruft hinuntergelassen, — ein 
stilles Vaterunser, — eine Hand voll Erde, — und das Bild von dem, 
was ihn seit Jahren erquickt und getröstet, erfreut und belebt hatte, 
war vor seinen Augen verschwunden, und wenn er es wiedersehen wollte, 
mußte er sein Herz aufschlagen wie ein Buch, Blatt für Blatt, bis 
auch dieses einmal geschlossen würde, und dann? — Ja, dann würde
	        
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