sollen, vielleicht wäre ich Ihnen nachgeschlichen;" worauf er nach
einer kleinen Pause lächelnd hinzufügte: „Nicht wahr, dann würden
Sie doch erschrecken und glauben, ich sei gestorben, und es wäre
mein Geist, der Sie heimsuchte?" Ich mußte die Nacht durch meine
Pfeife bei ihm rauchen und mich so stellen, daß er wenigstens den
Dampf davon kostete und so den Vorgeschmack zu seiner Gesundheit
einatmete. —
Als er nun nach sechs Tagen genas, wie kindlich fröhlich war
der Mann! Wie zählte er die Bissen, die er aß, und freute sich,
daß er wieder so kräftig speisen konnte! Wie spielte der liebens¬
würdige Hausvater mit seinen Kindern! Er erlaubte der kleinen
Karoline, sie dürfe in der Kaffeestunde mit ihm „schmarotzen".
Die kleine sechsmonatige Emilie nahm er auf den Arm, küßte sie
und sah sie mit einem Blick von verschlingender Innigkeit an, recht,
als wenn er sein unendliches Glück im Besitz dieses holden Kindes
zu Ende denken wollte. Wie fröhlich war er, als ich zum erstenmal
wieder mit ihm spazieren fuhr! — In den unbelaubten Bäumen
sah er einem baldigen Frühling entgegen. An den Frühling knüpfte
er Reisepläne, an die Reise — Gesundheit, und an seine Gesundheit —
Werke, die er noch zu liefern gedachte! Armer Mann! Du hast
nicht erlebt, was du in den seligen Minuten dir vorträumtest. Deine
Genesung war das letzte Auflodern der Gesundheit, der letzte Sonnen¬
schein im Herbste. Bald sollte der finstere Winterschlaf folgen. —
Unter die schönen Pläne Schillers gehörte noch eine Reise nach
dem Meere, das er nie gesehen, zu dem er aber von jeher eine
große Sehnsucht gehabt hat. „Eine Reise nach dem Adriatischen
Meere," sagte er, „wird-mir zu kostbar; ich brauche dazu 1500Taler,
die kann ich nicht daran wenden." Wir machten einen Reiseplan
nach Kuxhaven, und ich führte ihn schon in Gedanken zu meinen
ehrlichen, gastfreien Ditmarsen, in deren Hütten es dem großen
Manne wohl geworden wäre. Jetzo bedarf Schiller nicht mehr des
Anblicks sinnlicher Unendlichkeit; er ist in das ewige, unendliche
All heimgekehrt. Dort ist sein Sehnen gestillt, sein Durst gelöscht,
seine Wißbegierde befriedigt, wonach er in seinen Gedichten ver¬
gebens trachtete.
Oft im Traum befinde ich mich mit Schiller in der Gegend von
Kuxhaven; ich fasse ihn unter dem Arme und führe ihn den Deich
hinan. Bald sind wir oben. Ich sehe Schiller starr ins Gesicht,