Full text: [[Teil 2], Oberstufe, Teil 1] ([Teil 2], Oberstufe, Teil 1)

jl. Aus der Geschichte des deutschen Vaterlandes. 91 
immer neben un8 niederhieben, auf den Wall; von dannen kamen wir recbtsum und 
mul8ten cten Wall hinunterrutschen. 
So gelangten wir endlich ins Lager zu des Soldaten Hütte, wo wir seine Frau 
fanden, die eine Nürnbergerin war. Die empfing uns nicht gar zu freundlich und sagte 
zu ihrem Manne: „Was den Teufel bringst du? du bringst die Hütte voll Kinder; ich 
dachte, du brächtest Beute!“ Der Mann stillte sie mit den Worten, er hätte die Bübel 
müssen herausführen, Gott würde ihm Beute bescheren, und legte dann seinen Teppich 
mit den Speckseiten in die Hütte. Darauf setzten wir uns und waren froh, dass wir 
ein wenig Schutz und Sicherheit haben konnten. Die Soldatenfrau gab sich endlich 
auch zufrieden. Sie kochte für die Offiziere des Regiments und hatte viel zu schaffen 
mit dem Essen; da half ihr die Mutter anrichten, kochen und braten und ging ihr zur 
Hand wie eine Magd. 
Diese Nacht, ungefähr um elf Uhr, stand die ganze Stadt Magdeburg im Feuer, 
und der Vater führte uns aus der Hütte, damit wir die Zeit unseres Lebens davon 
sagen könnten. Es war im Lager, das doch so weit von der Stadt gelegen war, .alles 
von der grossen Feuersglut so hell, dass man einen Brief dabei lesen konnte. 
Des andern Tages, den 21. Mai, ging der Soldat mit seiner Frau in die Stadt 
und holte Beute. Die Mutter musste unterdessen das Kind des Soldaten warten und 
das Essen besorgen, was sie auch willig und gern that. Wir machten die Hütte zu, 
und der Vater safs stets darinnen, damit man ihn nicht kennen mochte. Er konnte 
aber durch das Glas der Hütte sehen, wie viele gute Freunde, Bekannte, Bürger, auch 
Weibspersonen gefangen durch das Lager an Stricken geführt wurden. Und hatten 
wir Gott fröhlich zu danken, dass wir noch so ledig gehen und bleiben konnten. So¬ 
bald aber Bekannte aus der Stadt geführt wurden, die die Mutter von ungefähr 
draussen vor der Hütte am Feuer sahen, war dies das allerärgste, dass sie alsbald die 
Mutter anredeten und sagten: „Frau Stadtschreiber, seid Ihr auch heraus? Wie geht 
es zu? Könnt Ihr so herum gehen? Ich muss mich freikaufen, aber Ihr habt es gut.“ 
So gönnten uns die elenden Leute unser Glück nicht und hätten mit ihren leichtfertigen 
Reden uns gar bald in grosses Unglück stürzen können. 
Danach kam ein Soldat an die Hütte, der unsern Soldaten sprechen wollte. 
Der Vater hatte sich ein wenig auf das Soldatenbett gelegt, das ganz hinten stand; 
die Mutter aber sais an der Hütte und weinte. Wir Kinder safsen um sie herum und 
hätten gern getrunken. Da erzählte der Soldat und wies, was er für Beute bekommen 
hatte, nämlich alle Finger voll Ringe mit trefflichen, schönen Steinen, die er ansah und 
über die er sich freute. Indes forderten wir Kinder zu trinken; die Mutter hatte nicht 
so viel bei sich, eine Kanne Bier zu bezahlen, da gab der Soldat ihr fast anderthalb 
Thaler, dass sie uns Kindern sollte Bier holen lassen. 
Gegen Abend kamen der Soldat und seine Frau wieder und brachten treffliche 
. Beute an Geschmeide, Gold und köstlichem leinenem Geräte, und der Soldat sagte, 
es hätte ihm Gott solches deswegen beschert, weil er die kleinen Bübel herausgeführt 
habe. Er hielt es auch seiner Frau vor, dass sie gestern unzufrieden gewesen sei, 
weil er die Hütte voll Kinder gebracht habe, und war wohl zufrieden mit seinem Glücke 
und dankte Gott, was von Soldaten nicht leicht gebräuchlich ist. Er war ein gottes- 
fürchtiger Mensch und sehr barmherzig. Gott vergelte ihm die Wohlthat, die er an 
uns thut, ewiglich; wir werden auch am jüngsten Tage solche Wohlthat rühmen. 
Des dritten Tages musste der Soldat auf die Wache ziehen und konnte uns des¬ 
wegen nicht nach Gommern bringen, wie er versprochen hatte. Er richtete aber sonst 
Gelegenheit zu, dass wir mit einem Leutnantswagen neben andern magdeburgischen 
Leuten nach Wolmirstedt, zwei Meilen von Magdeburg gelegen, kamen.“ 
Albert Richters Quellenbuch.
	        
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