IV. Aus der weiten Welt.
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lustig im Wirtshause. Die rauhe Schale birgt aber einen trefflichen Kern,
ein gutes deutsches Wäldlerherz; Betrug und Diebstahl kennt er nicht;
er ist barmherzig, hilft dem Bruder, wo er kann, ist dem Fremden ein
aufrichtiger Ratgeber und Wegweiser und trägt im Herzen eine un¬
erschütterliche Kaisertreue. In seinem gezimmerten Blockhause, dessen
flaches Dach vielfach mit Holzbalken und wuchtigen Granitsteinen be¬
schwert ist, lebt er, unbekümmert um die grosse Welt, ein friedliches
Dasein, arbeitet und singt beim trübflackernden Buchenspanlichte oder
vertreibt sich die „Sitzweil“ an den langen Winterabenden mit Geschichten¬
erzählen, dem die Nachbarn mit Aufmerksamkeit lauschen.
Da fast allgemein jeder Bauer sein Haus auf seinem Grundbesitz
erbaut hat, so kommt es, dass die Gehöfte eines Dorfes oft viertelstunden¬
weit auf dem grünen Plane zerstreut liegen. Das Wohnhaus besteht
in der Regel aus einer grossen Stube mit einer finstern Kammer, die als
Schlafgemach dient, und einem „Stübl“, wohin sich die Alten ins Aus¬
gedinge zurückziehen. Dem geräumigen „Vorhause“ schliefst sich in der
Regel die schwarze „Kuchl“ an, wo das Brot gebacken und das Futter
für die Haustiere abgebrannt wird; dann kommt gewöhnlich der Holz-
und Streuschuppen, wo sich die Pumpe befindet; vom Schuppen gelangt
man in den Stall, wo sich Rinder, Ziegen, Schweine, Gänse und Hühner
bei vollem Borne vergnügen, und von hier durch eine kleine Pforte in
die Scheuer, wo die mächtigen Heumassen aufgeschichtet liegen und auf
dem Gerüstboden die Korn- und Hafervorräte aufgespeichert sind. Vor
dem Hause befindet sich massenhaft an den Wänden aufgeschichtetes
Brennholz, in der Regel auch ein Düngerhaufen und ein wohlgepflegtes
Küchen- und Blumengärtlein.
Die Hauptbeschäftigung der Hinterwäldler besteht in Ackerbau,
Viehzucht, Lein- und Waldwirtschaft; doch kann bei der Beschaffenheit
des Bodens und des Klimas von einer ergiebigen Feldwirtschaft kaum
die Rede sein. Den grössten Teil des bäuerlichen Besitzes nehmen die
feuchten, grasreichen Wiesen ein, die die beste Vorbedingung zu einer
blühenden Viehzucht bilden. Von Feldfrüchten gedeiht am besten der
Lein, und es ist ein farbensattes Bild, das sich dem Wanderer darbietet,
wenn sein Blick über die prächtigen, bunten Wiesen und die herrlichen,
in himmelblauem Blütenschmucke stehenden Flachsfelder schweift. Auch
die Kartoffel, das Hauptnahrungsmittel der genügsamen Waldmenschen,
wird hier in reichlicher Menge angebaut; freilich gedeiht sie in kalten
Jahren so schlecht, dass sie kaum zu gemessen ist, und die ärmeren
Leute dann im Winter nicht selten der Hungersnot preisgegeben sind.
Giebt aber Gott seinen Segen, dann ist der Wäldler guter Dinge; er ist
bei seiner Sauer- und Buttermilch, bei seinen Kartoffeln, bei der vollen
Schüssel Sauerkraut und Schwämmesuppe zufrieden wie ein Fürst an
reich besetzter Tafel. Das Korn, sowohl Winter- als Sommerkorn, kann