IV. Aus der weiten Welt.
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Er wendet sich ins Haus und bindet
die Schneeschuh’ an den Knöcheln fest,
ergreift den hohen Stab und zündet
die Leuchte an dem Kohlenrest.
7. Noch einmal fällt sein trüber Blick
auf seine Teueren zurück.
Sie schlummern ohne Sorg’ und Harm
so selig, wie in Gottes Arm,
und leise spricht er seinen Segen.
Dann tritt er vor den Kriegerzug;
er schreitet aus, und rasch entgegen
dem Hochgebirge geht’s im Flug.
8. Da saust der Skie, da stäubt der Schnee,
aus braunen Nebeln schwankt die Höh’!
Vorüber fliegt in Geisterreih’n
der Wassersturz, der Fels, der Hain.
Im Schwung und Sprung auf glatten Sohlen
durchbraust der Haus die Winterflur;
es keucht der Sturm, ihn einzuholen,
und tilgt die flücht’ge Menschenspur.
9. So durch der Schluchten Doppelnacht
zur Höh’, wo die Lawine kracht,
und ob des Giefsbachs schwankem Steg
führt er sie den verborg’nen Weg.
Dem matten Scheine der Laterne
folgt keck der rasche Kriegerhauf,
und endlich hebt sich in der Ferne
die schwerbedrohte Stadt herauf.
10. Dort liegt sie — einsam Turm und Thor,
kein Lichtlein schimmert draus hervor,
und wie die Wolke trüb und schwer
liegt Mitternachtsschlaf drüber her. —
Er sieht’s mit Gram, hört die Bedränger
jetzt kühner stürmen durch das Feld,
merkt, wie der Feind sich immer enger
an seine flücht’gen Fersen hält.
11. Er schaut hinüber, schaut zurück,
und alles flirrt vor seinem Blick;
es ruft aus jedem Busch und Rohr:
„Normann, halt’ ein! was hast du vor?“
Da muss er vor sich selbst erbeben;
er seufzet, bis zum Tode matt:
„O Herr, nimm hin mein schuldig Leben,
errette nur die gute Stadt!“
12. Ihm ist, als hab’ es Gott bejaht,
und kühn erwächst ihm Will’ und Rat. —
Dort läuft den steilen Bergeshang
ein hoher Tannenwald entlang,
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