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So rasch ich konnte, eilte ich hin. Ein Schutthaufen ragte, wo ich so
manches Jahr gelebt hatte. Nun war alles kahl geworden. Auch meine
Birke war nicht von den gierigen Flammen verschont geblieben. Ein ver¬
kohlter Stumpf war allein von ihr übriggeblieben. — Und weit weg aus
dem einsamen Kirchhofe ruhten Vater und Mutter in der kühlen Erde."
Der Vater schwieg, und die Kinder schmiegten sich an ihn. Und dann
nahm der Vater aus einer alten, unmodernen Ledertasche mit Perlenstickerei
ein Stück Papier, woraus, ein trocknes Blatt geklebt war, und zeigte es
den Kindern im Schein des Feuers und sagte: „Seht, Kinder, das ist es."
llnd die Kinder betrachteten es sinnend, und keins sprach ein Wort-
Und dann brachte die Mutter die Lampe.
Heinrich Scharrelmann (Aus Heimat und Kindheit).
30. Abschirdslird.
1. Morgen müssen wir verreisen,
und es muß geschieden sein.
Traurig ziehn wir unsre Straße.
Lebet wohl, gedenket mein!
2. Kommen wir zu jenem Berge,
schauen wir zurück ins Tal,
schaun uns um nach allen Seiten,
sehn die Stadt zum letzten Mal.
3. Wenn der Winter ist vorüber,
und der Frühling zieht ins Feld,
will ich werden wie ein Vöglein,
fliegen durch die ganze Welt.
4. Dahin fliegen will ich wieder,
wo's mir lieb und heimisch war.
Freunde, muß ich jetzt auch wandern,
kehr' ich heim doch übers Jahr.
H. Hoffmann von Fallersleben.
31. 0 lieb, solang’ du lieben kannst.
1. O lieb, solang’ du lieben kannst!
O lieb, solang’ du lieben magst!
Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
wo du an Gräbern stehst und klagst.
2. Und sorge, daß dein Herze glüht
und Liebe hegt und Liebe trägt,
solang’ ihm noch ein ander Herz
in Liebe warm entgegenschlägt.
3. Und wer dir seine Brust erschließt,
o tu ihm, was du kannst, zulieb!
Und mach ihm jede Stunde froh,
und mach ihm keine Stunde trüb!