Full text: [Teil 3 = 6. u. 7. Schulj] (Teil 3 = 6. u. 7. Schulj)

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stillen. Da er also fast durchsichtig geworden, suchte er in stiller Ver— 
zweiflung eine Stätte, auf welcher er ungestört sterben könnte. Der 
Zufall führte ihn in den Stadtturm, und mit der Ortlichkeit unbekannt, 
erkletterte er die Stiegen, die ihn nach oben führten. Da stand er nun 
an der Brüstung und schaute hinab auf das Lager der Feinde. Die 
Belagerer unten erschauten das grimmige Tier, welches wütend 
brüllte und mit seinen Tatzen das Mauerwerk zerriß, als ob es ihm klar 
geworden wäre, daß sein Hunger durch die da unten erzeugt würde. 
Und wie das Tier so mutig und herausfordernd erschien, meinte man: 
da möge der Henker noch länger Belagerer spielen, Wagenburgen um 
die Stadt schlagen und unnütz Pfeile verschießen. Nicht lange währte 
es, da war auch kein Feind mehr vor Esens zu erschauen, und es 
herrschte großer Jubel im Städtchen. Der Bär bekam zu fressen, so 
viel er wollte, und sein Bild setzte man in das Stadtwappen, welches 
zuvor ein einfaches, kahles Feld darstellte. 
Fr. Sundermann, 
220. Emden, die Herberge der Gemeinde. 
Diesen schönen und ehrenvollen Namen hat die Stadt von 
den protestantischen Müchtlngen erhalten, welche hier ums 
Jahr 1540 freundliche Aufnahme fanden. Die Anhänger der 
evangelischen Lehre wurden nämlich in den Nieederlanden 
und in Erankreieh um ihres Glaubens vwillen hart bedrückt 
und verfolgt. Viele von ihnen verlieben deshalb ihre Heimat 
und flobhen nach Emden, wo damals schon in der Lirche 
das Wort Gottes lauter und rein gepredigt wurde. Die Be— 
wohner Emdens bezeugten ihnen auf alle Weise ihre Liebe, 
verschafften ihnen Obdach und Nahrung, halfen ihnen zum 
Bau eigener Bethäuser oder lieben sie an den Gottesdiensten 
der Gemeinde teilnehbmen und unterstützten ihre Armen. Zum 
Danke für diese Gastfreundschaft lieben die Fremdlinge an der 
Groben Rirche in Emden ein Portal erbauen, über dem ein in 
Stein ausgehauenes Schifflein sich befindet, das mit den Wogen 
ringt und die Umschrift träügt: „Godts Kerck, vervolgt, ver— 
dreven, heeft Godt hyr trost gegeven.“ 
221. Die Mansfelder in Ostfriesland. 
Schreckliches Elend kam im dreißigjährigen Kriege durch den Grafen 
Ernst von Mansfeld über Ostfriesland. Um Martini 1622 kam dieser
	        
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