209. Die Getreidearten. Von Hermann Wagner.
Im Grünem 6. Verb. Auflage. Leipzig 1892. S. 111.
Die Völker, welche nur von der Jagd leben, sind viel übler
daran als jene, die Getreide säen und ernten.
Die Indianer in Amerika müssen nicht selten tagelang herum¬
ziehen und tausenderlei List anwenden, Mühseligkeiten ertragen
und Gefahren ausstehen, um ein Wildbret zu erlegen und mit
ihrer Familie satt zu werden. Der Ackersmann hat seine Nahrung
sicherer und bequemer. Wo er die kleinen Körnchen hinlegt,
bleiben sie liegen; dort kann er dann die gereiften Früchte ge¬
mächlich abholen. Die Hirsche und Büffel dagegen, welche der
Indianer jagt, haben vier Beine und laufen mit denselben schneller
als der Jäger mit seinen zweien. Dazu haben sie Hörner und
wehren sich. Die Körnchen brauchen nur einige Monate, um zu
reifen; hat der Bauer einen Scheffel davon ausgesät, so erntet er
fünf, ja wohl zehn wieder ein, in manchen Gegenden sogar noch
mehr. Das Wild dagegen bekommt nur wenige Junge, jedesmal
eins oder zwei, und diese brauchen eine Reihe von Jahren, ehe
sie groß werden. Das Schlimmste dabei ist, daß das Wild nur
im Winter gut zu jagen ist und dann aus solchen Gegenden oft
weit hinwegzieht, in denen man ihm nachstellt. Der Jäger muß
dann in der gefährlichsten Jahreszeit weithin es aufspüren. Hunger
und Krankheiten reißen deshalb oft genug in den Jägerdörfern ein.
Frauen und Kinder sterben aus Not, und der Leute werden weniger.
Der Landbauer dagegen birgt seine Ernte im Sommer, drischt
sie. in geschützten Scheunen und lebt mit den Seinen vergnügt im
gut verwahrten Hause, sobald der Wintersturm draußen den Schnee
treibt. So sind die kleinen Getreidekörnchen eine große Wohltat
für den Menschen.
Nicht alle Qetreidearten gedeihen in jedem Lande; sie wollen
es weder zu kalt haben noch auch zu warm, sondern jede Sorte
nach ihrer besonderen Weise.