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So möge dieses Wort euer Feldgeschrei sein in jeder Gefahr, welche
ihr übernehmt für die Ehre Christi; das Kreuz aber soll euch das
Zeichen sein, das Zeichen zur Kraft und zur Demut."
Und nun drängten sich nach dem Vorgange der Edelsten geist-
lichen und weltlichen Standes Zahllose herbei, aus der Hand Urbans
das Zeichen der Teilnahme und der Verpflichtung zu empfangen,
ein rotes Kreuz, welches ihnen an die rechte Schulter geheftet wurde.
Alle, die jenen Tag erlebt hatten, trugen die Begeisterung dieses
Tages hinaus in die Lande. Begeisterte Prediger durchzogen das
Land und mahnten und riefen in schwungvoll hinreißenden Worten
zur heiligen Fahrt. Allenthalben regte sich derselbe Geist der Opfer-
Willigkeit. Ritter, Bürger und Bauern zeigten sich vom edelsten
Wetteifer beseelt. Es drängten sich namentlich auch viele Unfreie
zum Kreuzheere; denn „ frei von Knechtschaft war, wer das Kreuz
trug", (so kennzeichneten sich die Anfänge der befreienden Be-
wegung, wie sie in der Folge „alle Stände der abendländischen
Völker bis zu den niedrigsten Schichten herab, die ständischen
Schranken durchbrechend, segensreich durchdringen sollte".
Hunderttausende hefteten sich das Kreuz an die Schulter, oder
brannten es sich in die Haut, oder ätzten es sich auf die (Stinte.
Viele verkauften, was sie hatten, und rüsteten sich zur Fahrt ins
heilige Land. Gar manche konnten in ihrem Eifer den Zeitpunkt
des Aufbruches nicht erwarten. So zogen schon im Winter 1095
auf 1096 ungeordnete Scharen hinaus in unbekannte Fernen, ohne
Geldmittel, ohne Ausrüstung, manchmal selbst waffenlos, Männer,
Frauen, Kinder. Sie erlagen der Not und dem Elende, längst bevor
sie dem Ziele nahe gekommen. Bis in den Herbst 1096 hinein
währten die Vorbereitungen der Besonnenen. Dann sammelten sich
die Kriegsscharen und erfüllten Frankreich, Italien, Deutschland mit
kriegerischem Lärm. Auf allen Straßen, in allen Städten hörte
man ihr Lied erschallen:
„In Gottes Namen fahren wir,
Seiner Huld begehren wir;
Nun helfe uns Die Gotteskraft
Und dazu das heil'ge Grab!
Kyrie eleison!"
Den einzelnen Heerhaufen war Konstantinopel zum Sammelplatze
bestimmt worden. Auf verschiedenen Wegen erreichten sie diese Stadt.
Es fand sich daselbst ein zahlreiches, wohlgerüstetes Heer zusammen,
buntgemischt aus den verschiedensten Nationen. „Wollten wir mit
einander reden — so erzählt einer der Teilnehmer — so verstanden