268
die Kraft, daß er das Gefilde wiedergewann. Aber der zornige Strom¬
gott rief den benachbarten Fluß Simo'is zn Hilfe, und erst als Hephüstns
mit seinem Feuer die Bäume am Ufer entzündete, die Fische vor der
Glut angstvoll nach kühlem Wasser schnappten und der Strom endlich
selbst in lichten Flammen wogte, flehte er die Göttermutter um Mitleid
an. Da löschte Hephästns die Glut, und der Skamander rollte in seine
User zurück.
Achill aber ruhte nicht eher vom Kampfe, als bis er den Hektor
erlegt und dem erschlagenen Freunde das Totenopfer gebracht hatte. Hier¬
auf wurde der Leichnam des Patroklus verbrannt und zn seinen Ehren
glänzende Wettkämpfe veranstaltet. An Hektors Leiche aber übte der
Held grausige Rache. Unbestattet ließ er ihn ans offenem Felde liegen,
und wenn der Morgen kam, band er ihn an seinen Wagen und schleifte
ihn dreimal um das Grabmal des Patroklus.
Des Priamus Fürbitte.
Inzwischen herrschte Trauer im Hause des greisen Priamus, lautes
Wehklagen um den Toten erscholl durch den Palast. Da kam Iris, die
windschnelle Botin der Götter, und riet dem greisen Vater, selbst in das
Lager des Achilles zu fahren und die Leiche des Sohnes zn lösen. Den
Worten der Götterbotin vertrauend, ließ Priamus in der Stille der
Nacht den Wagen anschirren, und unter dem Schutze der Götter gelangte
er mit seinem Begleiter ungefährdet durch das feindliche Lager in das
Zelt des Achilles, der eben von der Mahlzeit ruhte. Der alte König
fiel vor dem Gewaltigen nieder, umschlang seine Knie und küßte die
Hände, die ihm so viele Söhne erschlagen hatten. „Göttergleicher
Achilles," rief er flehend, „gedenke deines Vaters, der alt ist wie ich,
vielleicht auch bedrängt von feindlichen Nachbarn, in Angst und ohne
Hilfe wie ich. Doch ihm bleibt die Hoffnung, seinen geliebten Sohn von
Troja heimkehren zu sehen; ich aber, der ich fünfzig Söhne hatte, bin der
meisten in diesem Kriege beraubt worden und zuletzt durch dich des
einzigen, der die Stadt und uns alle zu beschirmen vermochte. Darum
bin ich hergekommen zu dir, o Held, um die Leiche meines Hektor von
deiner Hand freizukaufen, und biete dir ein reiches Lösegeld. Scheue die
Götter, Sohn des Pelens, erbarme dich mein, gedenke deines eigenen
Vaters! Ich bin des Mitleids noch werter. Dulde ich doch, was noch
kein Sterblicher geduldet hat, daß ich die Hand an meine Lippe drücke,
die mir die Söhne getötet." So sprach er weinend und erweckte dem
Helden Sehnsucht und Sorge um den eigenen Vater, daß auch er den
Tränen nicht wehren konnte. Endlich sprang der edle Held vom
Sessel empor, hob den Greis, voll Mitleids mit seinem grauen Haupt
und Bart, vom Boden auf, suchte ihn mit sanften Worten zu trösten
und versprach, ihm die Leiche des Sohnes zurückzugeben. Daraus