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Fraunhofer in München fand im Anfange unseres Jahrhunderts in
diesem sogenannten Farbenspektrum der Sonne zahlreiche dunkle
Querlinien. Um 1860 untersuchten die Heidelberger Professoren
Kirchhofs und Bimsen auch die Spektra von Flammen, in welchen
Gase, Dämpfe, Metalle u. s. w. glühten oder verbrannten, und be¬
merkten, dass alle diese Stoffe und Vorgänge sich in dem betreffenden
Spektrum durch dunkle oder helle und farbige Streifen kennzeichnen.
Am Spektrum erkennt der Kundige mit voller Sicherheit, welche Stoffe
in der Flamme glühen, von welcher das Spektrum erzeugt wird.
Diese Entdeckung wurde auch für die Kenntnis der Gestirne
von der höchsten Wichtigkeit; denn indem man nun Spektra der
verschiedenen Himmelskörper durch das Fernrohr erzeugte und auf
dem Wege der Spektralanalyse untersuchte, hatte man ein Mittel
gewonnen, zu erfahren, aus welchen Stoffen die Himmelskörper
zusammengesetzt sind, welche unserer Erde ihr Licht senden. Ausser¬
dem aber kann man diese Spektra in der bekannten Dunkelkammer
des Photographen auffangen und so in Lichtbildern darstellen. Diese
Lichtbilder kann man dann zu jeder Zeit mit Mikroskop, Mikrometer
u. s. w. untersuchen und wissenschaftlich benutzen. Ja, in der
jüngsten Zeit zieht man aus der Beschaffenheit dieser Spektra sogar
Schlüsse auf die Bewegung derjenigen Gestirne, deren Licht man
auf diese Weise aufgefangen hat.
Nach der epochemachenden Entdeckung von Kirchhofs und
Bimsen entstand in den Kreisen der Sternkundigen der Wunsch,
für die Weiterführung dieser Forschungen eine Staatsanstalt gegründet
zu sehen. Dieselbe sollte sich zunächst mit der Erforschung der
physischen Beschaffenheit der Sonne beschäftigen und wurde des¬
halb in der ersten Zeit oft kurzweg „Sonnenwarte" genannt. Im
Jahre 1871 gelang es, an dem damaligen Kronprinzen Friedrich Wil¬
helm für diese Gedanken einen mächtigen Gönner und Förderer zu
finden. Die preussische Staatsregierung nahm die Sache in Angriff
und beschloss, eine Anstalt zu errichten, welche die physische Be¬
schaffenheit aller Himmelskörper erforschen und unsere Kenntnisse
von den Gestirnen mit allen Hilfsmitteln der Physik und Chemie nach
jeder möglichen Richtung hin erweitern sollte. So entstand das
königlich preussische astrophysikalische Observatorium bei Potsdam,
welches zwischen den Jahren 1875 und 1879 erbaut worden ist.
Gabriel u. Suppriau, Lesebuch. D. 8.
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