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19. Bor Rauchs Büste der Königin Luise. 
(Theodor Körner.) 
Du schläfst so sanft! — Die stillen Züge hauchen 
noch deines Lebens schöne Träume wieder; 
der Schlummer nur senkt seine Flügel nieder, 
und heiliger Friede schließt die klaren Angen. 
So schlummre fort, bis deines Volkes Brüder, 
wenn Flammenzeichen von den Bergen rauchen, 
mit Gott versöhnt die rost'gen Schwerter brauchen, 
das Leben opfernd für die höchsten Güter. 
Tief führt der Herr durch Nacht und durch Verderben; 
fo sollen wir im Kampf das Heil erwerben, 
daß unsre Enkel freie Männer sterben. 
Kommt dann der Tag der Freiheit und der Rache, 
dann ruft dein Volk; dann, deutsche Frau, erwache, 
ein guter Engel für die gute Sache! 
20. Die Rückkehr der Franzosen aus Rußland. 
Gustav Freytag.) 
In den ersten Tagen des Jahres 1813 fielen die Schneeflocken; weiß 
wie ein Leichentuch war die Landschaft. Da bewegte sich ein langsamer 
Zug geräuschlos auf der Landstraße zu den ersten Häusern der Vorstadt. 
Das waren die rückkehrenden Franzosen. Sie waren vor einem Jahre der 
aufgehenden Sonne zu gezogen mit Trompetenklang und Trommelgerassel, 
in kriegerischem Glanz und empörendem Übermut. Endlos waren die Trnppen- 
züge gewesen, Tag für Tag ohne Aufhören hatte sich die Masse durch die 
Straßen der Stadt gewälzt, nie hatten die Leute ein so ungeheures Heer- 
gesehen, alle Völker Europas, jede Art von Uniformen, Hunderte von Ge¬ 
nerälen. Die Riesenmacht des Kaisers war tief in die Seelen gedrückt, das 
kriegerische Schauspiel mit seinem Glanz und seinen Schrecken füllte noch die 
Phantasie. 
Aber auch die unbestimmte Erwartung eines furchtbaren Verhängnisses. 
Einen Monat hatte der endlose Durchzug gedauert; wie Heuschrecken hatten 
die Fremden von Kolberg bis Breslau das Land aufgezehrt. Denn schon 
im Jahre 1811 war eine Mißernte gewesen, kaum hatten die Landlente 
Samenhafer erspart; den fraßen 1812 die französischen Kriegspferde; sie
	        
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