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IX. Die Dichter aus Eigenem.
5. Die sich im Sande reckt,
Das Bein lang ausgeschossen,
Ihr eines Aug' gefleckt,
Das andre ist geschlossen;
Zweihundert Jahr' und mehr
Gehetzt mit allen Hunden,
Schnarrt sie nun ihre Kunden
Dem jungen Volke her:
ʒ. „Ja, ritterlich und kühn all sein Gebar'!
Wenn er so herstolzierte vor der Schar,
Und ließ sein bäumend Roß so dreh'n und schwenken,
Da mußt' ich immer an Sankt Görgen denken,
Den Wettermann, der — als am Schlot ich saß,
Ließ mir die Sonne auf den Rücken brennen —
Vom Wind gedrillt mich schlug so hart, daß baß
Ich es dem alten Raben möchte gönnen,
Der dort von seiner Hopfenstange schaut,
Als sei ein Baum er und wir andern Kraut! —
7. Kühn war der Halberstadt, das ist gewiß!
Wenn er die Braue zog, die Lippe biß,
Dann standen seine Landsknecht' auf den Füßen;
Wie Speere, solche Blicke konnt' er schießen.
Einst brach sein Schwert; er riß die Koppel los,
Stieß mit der Scheide einen Mann vom Pferde.
Ich war nur immer froh, daß flügellos,
Ganz sonder Witz der Mensch geboren werde;
Denn nie hab' ich geseh'n, daß aus der Schlacht
Er eine Leber nur beiseit' gebracht.
8. An einem Sommertag, — heut' sind es g'rad
Zweihundertfünfzehn Jahr', es lief die Schnat
Am Damme drüben damals bei den Föhren —
Da konnte man ein frisch Drommeten hören,
Ein Schwerterklirren und ein Feldgeschrei,
Radschlagen sah man Reiter von den Rossen,
Und die Kanone fuhr ihr Hirn zu Brei;
Entlang die Gleise ist das Blut geflossen,
Granat' und Wachtel liefen kunterbunt
Wie junge Kiebitze am sand'gen Grund.
d. Ich saß auf einem Galgen, wo das Bruch
Man überschauen konnte recht mit Fug;
Dort an der Schnat hat Halberstadt gestanden,
Mit seinem Sehrohr streifend durch die Banden,
Hat seinen Stab geschwungen so und so.