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72* Sumpfabend,
Karl G. Schillings.
Mit Blitzlicht und Büchse. 2. Aufl. Leipzig, Voigtländcr. 1907. S. 89.
Wunderbar ist ein Abend, eine Nacht im äquatorial¬
afrikanischen Sumpfe! Immer wieder wird der Nordländer
überrascht durch das schnelle, ihm ungewohnte Verschwinden
des Sonnenballes am Horizonte.
Mit dem Eintritt der Dunkelheit tauchen Tausende von
Leuchtkäfern — ,,Kimurri-murri“ der Küstenleute — auf,
Zikaden vollführen eine ohrenbetäubende Musik und mischen
ihren Gesang mit dem für uns merkwürdig hölzern klingenden
Gequak der Frösche. Diese geben einen kurzen, schnell wieder¬
holten, gleichförmigen Ton von sich, ins Unendliche wiederholt.
Dazu tritt das Gesumme der Moskitos, die in Myriaden
hier ihre Wohnstätte haben und blutgierig aus dem Papyrus¬
dickicht ausschwärmen und ihre Opfer suchen. Ungeschützt
gegen ihre Angriffe vermöchten wir unmöglich an unserm
Standort zu verharren. Die sorglich mitgenommenen Mückennetze
gewähren auch nur bedingten Schutz, ermöglichen es uns aber
immerhin, auf unserm Beobachtungsposten zu bleiben, wenn
wir auch durch die unsre Kleidungsstücke durchdringenden
Stiche aufs ärgste gepeinigt werden.
Lebhafter und geschäftiger wird das Treiben der Mücken,
ihr Gesumme stets intensiver, sie selbst zudringlicher. Ihr
Konzert mischt sich mit den Lauten jener Sumpfvögel, deren
Haupttätigkeit sich erst zur Nachtzeit entfaltet. Ein merk¬
würdiges Glucksen und Kichern in schneller Reihenfolge trifft
unser Ohr. Ein kleines Sumpfhühnchen ist es, das so in den
allgemeinen Chor einstimmt. Auch am Tage vernimmt man
sein geheimnisvolles Gekicher, sein unbeschreibliches Murmeln
und Summen. ,,Es unterhält sich mit den Fischen!“ meint
einer meiner Leute. ,,Ja, so ist es, Herr,“ stimmen die andern
bei. Dem ist nun nicht so, aber immerhin sind diese Vogellaute
von höchster Charakteristik für den Sumpf. Der Umstand,
daß ein dort lebender welsartiger Fisch, wenn gefangen, sehr
ähnliche Laute von sich gibt, veranlaßt wohl die Eingeborenen
zu dem Glauben an eine Unterhaltung zwischen Vogel und
Fisch. — Ein Gewirr vieler Stimmen, vom rauhen Krächzen
des Nachtreihers bis zum monotonen Geplärre der kleinen
Rohrsänger und dem warnenden Rufe der Wasserhühner
schließt sich alledem an.