Full text: [Teil 4 = Kl. 5 u. 4] (Teil 4 = Kl. 5 u. 4)

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selbst umschanzte hochherzigen Sinnes die Stelle der Abfahrt mit Waste 
und Leib. Gelöst war das Leitseil, die Kähne schwebten, umschwirrt von 
den Speeren der Römer, auf grüner Flut; die Feinde drängten, und 
mühsam kämpfte die Schar am Fuß des Felsens den letzten Kampf. Da 
schaute der Held auf dem Steine über seinem Haupt den Drachen des 
Cäsar, den grimmigen Wurm, und im Sprunge durchbrach er die Wachen 
des Römers; er sprang aus den Stein, mit Bärengriff faßte er den Riesen, 
der das Banner trug, und warf ihn vom Felsen. Leblos tauchte in die 
Fluten der Römer, und das Banner erhebend, rief der Held gewaltig 
den Schlachtruf und sprang mit dem Drachen hinab in den Strom. Ein 
Wutgeschrei gellte aus Römermunde; die bittere Schmach vor den Augen 
des Cäsar zu rächen, den Kühnen zu schlagen, das heilige Zeichen der 
Römer zu retten, warf Mann und Roß sich wie toll in den Strom. 
Doch abwärts trieb im wirbelnden Strome der rote Drache, der sieg¬ 
reiche Held. Noch einmal sah ich den Arm ihn heben und schütteln das 
Banner, dann sah ich ihn nimmer. Der Cäsar ließ suchen an des 
Slromes Rand auf beiden Ufern mit trübem Sinn; zwei Tage darauf 
fand weit abwärts ein Späher am Alemannenufer gebrochen den Banner¬ 
speer; den Drachen des Feindes brachte keiner zurück. Da kehrte den 
Männern an den Usern des Rheins der Mut in die Seelen, der Sieges¬ 
zauber des Cäsar war im Strome verloren, und vergeltendes Unheil 
nahte dem Römerheere. Gesandte der Katten, die aufwärts kamen, 
um dem Römervolk Bündnis zu bieten, sie hemmten die Reise, da sie 
erfuhren das böse Vorzeichen. Gerochen war der Hohn des Siegers 
durch starken Arm, und geschwunden von der Männererde König Ingo 
der Held." 
Der Sänger schwieg und beugte das Haupt über das Saitenspiel, 
still war es in der Halle, wie nach einer Totenklage, die Augen der 
Männer glänzten, und in den Gesichtern arbeitete die Bewegung. Aber 
in keinem mehr als in dem des Fremden. Da der Sänger eintrat und 
im Vorübergehen sein Gewand berührte, hatte er das Haupt nieder¬ 
gebeugt und, wie sein Nachbar Wolf ohne Freude wahrnahm, an dem 
Bericht des Sängers weniger teilgenommen, als einem Krieger schicklich 
war, und die Bankgenossen hatten auf ihn gewiesen und spottende Worte 
getauscht. Als aber der Sänger von dem Kampf um das Drachenbild 
begann, da hob er das Antlitz, ein rosiges Licht flog über seine Züge, 
und so strahlend und verklärt war der Blick, den er nach dem Sänger 
warf, daß, wer auf ihn sah, die Augen nicht abwenden konnte, wie ein 
Goldschein hob sich das helle Lockenhaar um das begeisterte Antlitz. 
Und al§ der Sänger schwieg, saß er noch unbeweglich. 
„Sieh dort hin, Volkmar," rief eine tiefe Frauenstimme, vor Be¬ 
wegung zitternd, und alle Blicke folgten der Richtung, nach welcher die 
Hand Irmgards wies, die hoch aufgerichtet in der Laube stand. 
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