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und noch weiter hinaus erschließt über das grüne Blättermeer und die
lachenden Wiesen des Spreewaldes fort, von zahlreichen Dörfern malerisch
übersät.
Ja, auch der Bahnhof bietet schon dem flüchtigen Reisenden den
ersten Spreewaldgruß, die verlockend winkenden, vollsaftigen sauren
Gurken. Ein Gang durch die Lagereien, Küchen, Keller und Hosräume
eines der größeren Gurkenhändler dieser Stadt bietet des Interessanten
gar Vieles. Die ungeheure Fülle der hoch aufgestapelten, sauberen
Riesenfässer, der blitzenden Bottiche, Kessel und Herde hat etwas An¬
heimelndes und doch auch Achtunggebietendes. Ehemals, als noch kein
Schienenweg, keine Kunststraße Lübbenau mit Berlin verband, fand der
überaus rege Handelsverkehr allein zu Wasser statt. Wie die Gubener
mit ihrem Obst allwöchentlich auf dem Spittelmarkt, die Werderschen
zwischen Börsenbrücke und altem Museum ihre Verkaussstände auf¬
schlugen, so waren es die Lübbenauer, die, nachdem ihre Gurken- und
Zwiebelflottillen zwischen Insel- und Fischerbrücke vor Anker gegangen
waren, in der uralten Fischerstraße den schwunghaften Handel mit den
Erzeugnissen ihrer heimatlichen Niederung eröffneten. Der Handels¬
verkehr zu Wasser hat freilich längst fast ganz aufgehört, seit Landstraßen
und Eisenbahnen nach Berlin führen. Seitdem schwimmt wohl nur
selten noch ein mit Gurkenbotticheu und Zwiebeln schwer beladener
Bordkahn gemächlich die Spree hinab, um hinter dem Oberbaum die
Hauptstadt nach achttägiger Fahrt still zu begrüßen und an der Fischer¬
gracht vor Anker zu gehen. Aber noch immer weht durch die altertüm¬
liche Fischerstraße der säuerlich-scharfe Geruch von frischen Gurken und
glänzenden Zwiebeln, und in den dämmerigen Verkaufshallen und
Lagereien der engen, winkligen Häuser entfaltet sich ein bewegliches,
eigenartiges Leben und Treiben.
Zu dem Ruhme Lübbenaus, die Hauptstadt des Spreewaldes und
der größte Stapelplatz von Gurken zu sein, gesellt sich der Vorzug seines
Meerrettichbaus und des damit verbundenen Meerrettichmarktes, zu dem
sogar manchmal Händler aus Österreich nach Lübbenau kommen. So¬
bald die Meerrettichernte begonnen hat, findet jeden Freitag im Herbst
am Eingang zur Stadt der Markt statt. Mehr als hundert Kähne
kommen dann aus den verschiedenen Spreewalddörfern herangezogen,
hoch bepackt mit den tränenerzeugenden braunen Wurzeln, zwischen
denen der Spreemäldler hoch aufgerichtet steht und geschickt das
schmale Fahrzeug durch die sich kreuzenden Wasseradern, unter tief¬
hängendem Gezweig und zwischen Schilf und Binsen zum Markte
lenkt. Hin und wieder begleitet eine malerisch gekleidete Frau oder
ein dunkeläugiges Mädchen den Kahnführer und erhöht durch ihre
farbenleuchtende Tracht nur das schon so eigenartige Bild dieses
Marktlebens.
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