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Saum Landes, der sich von Mainz bis Bingen auf dem rechten Rhein—
ufer erstreck. Im Süden bespülen ihn die Rheinfluten, im Norden
wird er von den Steilabhängen des Taunus begrenzt. So begünstigt
auch mancher Fleck deutscher Erde durch ein mildes Klima, durch Schön—
heit und Bodenfruchtbarkeit sein mag, hier werden sie alle übertroffen,
hier ist das „deutsche Italien“.
Drei Umstände sind es, die den hohen Ruhm des Rheingaus,
und zwar zunächst seinen Ruf als Weingau, begründet haben, nämlich
der kalkhaltige, fruchtbare Boden, die nach Süden gerichtete Taunus—
wand und der herrliche Strom. — Der ehemalige große oberrheinische See
hat hier, wo er gegen die Felswand des Taunus brandete, einen feinen
Kalkschlamm abgelagert. Der Kalkgehalt des Bodens beträgt z. B. bei
Johannisberg bis zu 89/0. Auf diesem Erdreich gedeiht neben üppigem
Getreide die edle Rebe. Der Rheingau ist der deutsche Weingau; aber
ohne die Taunuswand würde er es nicht sein. Sie muß den so nötigen
Schutz vor den rauhen Nordwinden gewähren, und sie muß die Sonnen-
strahlen auffangen, damit die Trauben nicht bloß direkt von der Sonne,
sondern auch von den warmen Bergwänden angeglüht werden. Aber
auch der Rheinstrom ist unentbehrlich in dem Bund. Er ist die große
Verkehrsader, auf der die reichen Produkte des Gaus verfrachtet werden
ins weite Vaterland. Selbst bei der Traubenreife ist ihm eine Rolle
zugewiesen: Die von dem Flußspiegel zurückgeworfenen Sonnenstrahlen
müssen gleichfalls zur Erwärmung der Trauben mitwirken, sodaß diese
„dreifach angeglüht“ zur Reife gelangen. „Nur zweimal noch finden
wir in Europa gleich günstige Bedingungen für den Weinbau wieder,
an der Gironde und im Hegyallyagebirge bei Tokay“.
Aber nicht bloß ein fruchtbares Reben-, Korn, und Obstgebiet ist
diese „Perle dentscher Lande“, sondern zugleich ein Land voll bezaubern—
der Schönheit.
„Dich grüß ich, du breiter, grüngoldiger Strom,
euch Schlösser und Dörfer üund Städle und Dom,
ihr goldenen Saaten im schwellenden Tal,
dich Rebengebirge im sonnigen Strahl,
euch Wälder und Schluchten, dich Felsengestein;
wo ich bin, wo ich gehe, mein Herz ist am Rhein!“
Wir können dem Sänger (Müller von Königswinter) diese warmen
Worte, die er seiner Heimat widmet, nachfühlen. Der leuchtende Rhein—
spiegel, belebt mit Fahrzeugen aller Art, dehnt sich hier breit wie ein
See. Liebliche grüne Eilande, Auen genannt, scheinen in seiner Flut
zu schwimmen. Im Hintergrund hebt sich die stattliche Wand des
Taunus heraus. Zwischen Strom und Gebirge aber wetteifern zahl—
reiche Hügel, wer sein rebenumranktes Haupt am höchsten erheben könne,
während zwischen ihnen goldene Saatfelder sich hinziehen. Und was
der Schöpfer nicht unmittelbar getan, das hat er durch Menschenhand
hinzugefügt: ein schmuckes Städtchen schmiegt sich neben dem andern