Object: Sieben Bücher deutscher Dichtungen

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Heue Zeit. Das erste klassische Zeitalter. 
„© Rübeli-Rock, er stoht mehr wohl 
„Zum rote Scharlach-Kamisol, 
„Und Plüschi Hose hani a. 
„E Zitli drin, e Bendeli dra, 
„Ne g'chrüslet Hoor, e neue Huet, 
„E heiter Aug, e frohe Muet. 
„Es luegt do ein mi Schnappsack a, 
„Und '§ nimmt en Wunder, was i ha. 
„Ihr liebe Lüt, das sagi nit. 
„Wenns chunnt, so nimm verlieb 
dermit! 
„'s sin Rösli drin und Dorne dra, 
„Me cha nit iedes b'sunder ha. 
„Und Wagleschnür und Wickelband, 
„E Fingerring aus Brütli's Hand, 
„En Ehrechranz ins lockig Hoor, 
„E Schlüssel au zum Chilchhofthor, 
„Gen Achtia, was i bitt und sag, 
„'s cha iede treffen alli Tag. 
,,E stille Sinn in Freud und Not, 
„E rüehig G'wisse gebich Gott! 
„Und wer's nit redli meint und guet, 
„Und wer si Sach nit ordli thuet, 
„Dem bring i au fei Sege mit, 
„Und wenni wott, se chönnti nit. 
„Jetz göhnt und leget d'Chinder a, 
„Und was i g'seit ha, denket dra, 
„Und wenn der au in d'Chilche ment, 
„Se schaffet, was der z'schaffe hent. 
„Der Tag isch do, der Mond vergoht, 
„Und d'Sunne luegt ins Morgenrot." 
I. P. Hebel. 
Ndächterruf. 
Loset, was i euch will sage! 
D'Glocke het Zehnt gschlage. 
Jez betet und iez göhnt ins Bett, 
Und wer e rüehig G'wisse het, 
Schlos sanft und wohl! Im Himmel 
wacht 
E heiter Aug die ganze Nacht. 
Loset, was i euch will sage! 
D'Glocke het Qelfi gschlage. 
Und wer no an der Arbet schwitzt 
Und wer no by de Charte sitzt, 
Dem bieti iez zuin letztemol — 
's isch hochi Zit — und schlofft 
wohl! 
Loset, was i euch will sage! 
D'Glocke het Zwölfi gschlage. 
Und wo no in der Mitternacht 
E Gemüt in Schmerz und Chummer 
wacht, 
Se geb dir Gott e rüehige Stund, 
Und mach di wieder froh und g'sund. 
Loset, was i euch will sage! 
D'Glocke het Eis gschlage. 
Und wo mit Satans G'heiß und Rot 
E Dieb uf dunkle Pfade goht, 
—J wills nit hoffen, aber geschieht's — 
Gang heim! der himmlisch Richter 
sieht's. 
Loset, was i euch will sage! 
D'Glocke het Zwei gschlage. 
Und wem scho wieder, eh's no tagt, 
Die schweri Sorg am Herzen nagt, 
Du arme Tropf, di Schlof isch hi; 
»Gott sorgt! Es wär nii nötig gsi. 
Loset, was i euch will sage! 
D'Glocke het Drü gschlage. 
Die Morgenstund am Himmel schwebt, 
Und wer im Fried' de Tag erlebt, 
Dank' Gott, und fass' e frohe Muet, 
Und gang ans G'schäft, und — halt 
di guet! 
I. P. Hebel. 
Sommerlied. 
Blaue Berge! 
Bon den Bergen strömt das Leben. 
Reine Luft für Mensch und Vieh, 
Wasserbrünnlein spät und friih 
Müssen uns die Berge geben. 
Frische Matten! 
Grüner Klee und Dolden schießen, 
An der Schmehle schlank und fein 
Glänzt der Tau, wie Edelstein, 
Und die klaren Bächlein fließen. 
Schlanke Bäume! 
Muntrer Vögel Melodeien 
Tönen im belaubten Reis, 
Singen laut des Schöpfers Preis; 
Kirsche, Birn' und Pflaum' gedeihen. 
Grüne Saaten! 
Aus dem zarten Blatt enthüllt sich 
Halm und Ähre, schwanket schön. 
Wenn die milden Lüfte wehn. 
Und das Körnlein wächst und füllt sich.
	        
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