Full text: [Teil 3 = Kl. 4 u. 3] (Teil 3 = Kl. 4 u. 3)

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wird jeder Schritt zum Verräter. Wo sind sie hin, die köstlichen 
Sommertage, wo es überall Nahrung in Fülle gab und die „Schon¬ 
zeit“ Sicherheit vor dem weitaus furchtbarsten Feinde, dem Menschen, 
gewährte? Gerade jetzt beginnt die eifrigste Verfolgung; denn eben, 
was die Natur dem Wilde zum Schutz mitgab für die arge Zeit, 
die Feiste des Flirsches und des Rehwildes, die Winterpelze von 
Fuchs und Marder, sie reizen den Menschen, den Tieren unablässig 
nachzustellen. Zu keiner Zeit ist der scheue Waldbewohner sicher 
vor dem Grünrock. Und wenn der Forst noch so still und schein¬ 
bar ungefährlich ist, knallt plötzlich ein Büchsenschuß und bringt 
das tödliche Blei. 
Aber auch wenn der letzte Schuß im Walde fällt und die 
Schonzeit endlich wieder beginnt, sind oft erst noch die schlimmsten 
Tage zu überwinden. Gerade im Februar decken häufig ungeheuere 
Schneemassen den vorher hart gefrorenen Boden. Was noch zu¬ 
rückgeblieben war von den Spenden des Sommers, das letzte ver¬ 
dorrte Gras, das Heidekraut selbst, liegt unter dem Schnee begraben. 
Wenn es dann taut und wieder friert, wird die Oberfläche scharf 
wie Glas. Die hindurchbrechenden Läufe werden wund, und jeder 
neue Tag vergrößert die Wunden. Langsam schleppen sich die 
gequälten Tiere dahin, bis Hunger, Kälte und Blutverlust das Ende 
herbeiführen. 
Glücklich die Hirsche und Rehe, die einen weidgerechten Jagd¬ 
herrn haben! In jener wunderlichen Mischung von Grausamkeit 
und Tierfreundschaft, die für den Jäger so bezeichnend ist, tritt er 
jetzt tatkräftig für das Wild ein. An gewissen Stellen hat er Heu¬ 
schober errichtet, und zu bestimmten Stunden füllt der Wildpfleger 
die Raufen mit duftigem Heu und streut Hafer und Eicheln in 
kleinen Häufchen auf eine vom Schnee gereinigte Stelle. Von allen 
Seiten kommen dann die Tiere mit ihren Kälbern, die Schmaltiere, 
die Spießer und Gabler herbei, und selbst mancher Hirsch findet 
sich ein, wenn der Hunger ihn gar zu sehr quält. 
Auch die Wildschweine erliegen vielfach dem Winter, wenn sie 
während desselben nicht gefüttert werden. Wohl sind sie für den 
Kampf ums Dasein trefflich ausgerüstet, stark, fest gekleidet und 
wenig wählerisch in ihrer Nahrung; aber wenn anhaltender Frost 
die Erde in Stein verwandelt hat und tiefer Schnee sie ebenso 
anhaltend bedeckt, dann gehen sie doch in großer Zahl zugrunde. 
Wo sie gefüttert werden, da haben sie sich Ort und Zeit bald 
gemerkt, und sobald der Mann mit dem Futtersack auf dem Rücken 
erscheint, eilen die Schwarzröcke grunzend von allen Seiten herbei. 
Glücklich ist in dieser Zeit, wer sich rechtzeitig eine warme 
Wohnstätte bereitete und auch um Nahrung nicht besorgt zu sein 
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