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wird jeder Schritt zum Verräter. Wo sind sie hin, die köstlichen
Sommertage, wo es überall Nahrung in Fülle gab und die „Schon¬
zeit“ Sicherheit vor dem weitaus furchtbarsten Feinde, dem Menschen,
gewährte? Gerade jetzt beginnt die eifrigste Verfolgung; denn eben,
was die Natur dem Wilde zum Schutz mitgab für die arge Zeit,
die Feiste des Flirsches und des Rehwildes, die Winterpelze von
Fuchs und Marder, sie reizen den Menschen, den Tieren unablässig
nachzustellen. Zu keiner Zeit ist der scheue Waldbewohner sicher
vor dem Grünrock. Und wenn der Forst noch so still und schein¬
bar ungefährlich ist, knallt plötzlich ein Büchsenschuß und bringt
das tödliche Blei.
Aber auch wenn der letzte Schuß im Walde fällt und die
Schonzeit endlich wieder beginnt, sind oft erst noch die schlimmsten
Tage zu überwinden. Gerade im Februar decken häufig ungeheuere
Schneemassen den vorher hart gefrorenen Boden. Was noch zu¬
rückgeblieben war von den Spenden des Sommers, das letzte ver¬
dorrte Gras, das Heidekraut selbst, liegt unter dem Schnee begraben.
Wenn es dann taut und wieder friert, wird die Oberfläche scharf
wie Glas. Die hindurchbrechenden Läufe werden wund, und jeder
neue Tag vergrößert die Wunden. Langsam schleppen sich die
gequälten Tiere dahin, bis Hunger, Kälte und Blutverlust das Ende
herbeiführen.
Glücklich die Hirsche und Rehe, die einen weidgerechten Jagd¬
herrn haben! In jener wunderlichen Mischung von Grausamkeit
und Tierfreundschaft, die für den Jäger so bezeichnend ist, tritt er
jetzt tatkräftig für das Wild ein. An gewissen Stellen hat er Heu¬
schober errichtet, und zu bestimmten Stunden füllt der Wildpfleger
die Raufen mit duftigem Heu und streut Hafer und Eicheln in
kleinen Häufchen auf eine vom Schnee gereinigte Stelle. Von allen
Seiten kommen dann die Tiere mit ihren Kälbern, die Schmaltiere,
die Spießer und Gabler herbei, und selbst mancher Hirsch findet
sich ein, wenn der Hunger ihn gar zu sehr quält.
Auch die Wildschweine erliegen vielfach dem Winter, wenn sie
während desselben nicht gefüttert werden. Wohl sind sie für den
Kampf ums Dasein trefflich ausgerüstet, stark, fest gekleidet und
wenig wählerisch in ihrer Nahrung; aber wenn anhaltender Frost
die Erde in Stein verwandelt hat und tiefer Schnee sie ebenso
anhaltend bedeckt, dann gehen sie doch in großer Zahl zugrunde.
Wo sie gefüttert werden, da haben sie sich Ort und Zeit bald
gemerkt, und sobald der Mann mit dem Futtersack auf dem Rücken
erscheint, eilen die Schwarzröcke grunzend von allen Seiten herbei.
Glücklich ist in dieser Zeit, wer sich rechtzeitig eine warme
Wohnstätte bereitete und auch um Nahrung nicht besorgt zu sein
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