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sah. Ich mußte eine Grubenkleidung anlegen und begab mich in das Zimmer, 
wo sich Alle versammelt hatten. Mit feierlichem Ernst sprach ein alter Berg¬ 
mann ein Gebet, und nachdem wir uns so Gottes Schutz empfohlen hatten, 
stiegen wir in's Thal. Einzelne Bergleute kamen uns entgegen, welche die Nacht 
über gearbeitet hatten und heim gingen. Endlich erreichten wir eine Hütte, 
wie ich sie gestern gesehen hatte. Ich bekam eine Lampe. Die Bergleute began- 
nen ihre Einfahrt. Man kann sich kaum einer inneren Angst erwehren, wenn 
man die dunkelgekleideten, ernsten Männergestalten betrachtet, wie sie bei dem 
schwachen Schein ihres Lämpchens auf der Leiter in den finstern Schlund der 
Erde hinabklimmen. Einer nach dem andern verschwand; nun kam auch an uns 
die Reihe. Wir betraten die Sprossen und schritten, uns fest anklammernd, 
behutsam an der steilen Wand hinunter. „Achtung!" rief von Zeit zu Zeit der 
Steiger, wenn eine besonders gefährliche Stelle zu pasfiren war. Noch behüt- 
samer, als vorher, kletterten wir in die immer wachsende Finsterniß hinab, wäh¬ 
rend in raschem Schwung volle und leere Gefäße neben uns auf- und nieder¬ 
stiegen. Endlich verließ der Fuß die letzte Sprosse; mit einem „Gottlob!" fühl¬ 
ten wir wieder festen Boden unter uns und streckten mit Wohlgefallen die er¬ 
lahmten Kniee. Aber auf dem kalten, nassen Boden war an. kein Ausruh'll 
zu denken. Der Steiger trieb zum Weitergehen, und so durchschritten wir die 
langen, finstern Gänge. Sie sind bald eng, bald weit, bald hoch, bald niedrig, 
nur erleuchtet durch die Lampen und erfüllt mit eintönigem Geräusch. Da- 
Rasseln der Ketten, das Stöhnen der Wasserpumpen, das Halloh der Bergleute, 
das Krachen des Gesteins, das Rauschen des Wassers und das unaufhörliche 
Klopfen und Klingen der Schlägel und Bohreisen bilden eine schaurige Musik. 
Bergleute mit ihren beladenen Karren eilten an uns vorder; dort schlugen 
Andere große Stücke los; Andere stützten die Decke neuer Gänge mit Holz¬ 
gerüsten; noch Andere bohrten, im Schweiß ihres Angesichts, ein Loch in den 
Felsen. „Es wird angesteckt I" tönte es uns aus einer Halle, in die wir eben 
eintraten, entgegen. Der Steiger hatte kaum Zeit, uns hinter eine Felsenwand 
zu schieben, als ein Blitz die dunkle Nacht zerriß; ein dröhnender Schlag er¬ 
folgte, als sei die Erde geborsten; Stücke des losgesprengten Gesteins wurden 
umhergeworfen, und weißer Pnlverdampf quoll uns entgegen. 
Wir setzten unseren Weg in anderer Richtung fort und kamen in einsamr 
Gänge. Das Rollen des Donners verhallte nach und nach, und wir hörten 
nur noch das Wasser, wie eö langsam und eintönig von den Wänden tropfte. 
Mein Auge hatte sich an die Finsterniß gewöhnt. Einzelne Theile der Bäume, 
durch deren Verkohlung vor uralter Zeit die Steinkohle gebildet wurde, konnte 
ich deuttich erkennen. 
Nun wurde der Boden immer feuchter. Von ferne hörten wir Plätschern 
und Geräusch, als wenn sich Ruder im Wasser regten. Wir bogen um eine 
Ecke und sahen in einer Halle eine Wasserfläche. Aus dem Dunkel tauchten 
schwarze Gestalten auf, einen Kahn mit kräfttgen Schlägen lenkend. „Hier sam¬ 
meln sich die Grubenwasser des Bergwerks; von hier aus führt ein schiffbarer 
Stollen die Kohlen zu Tage", erklärte der Steiger. „Wir wollen ihn zum 
Rückweg benutzen." — Bald saß ich im Kahn und wurde in die Nacht hinein-- 
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