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Schweigend und stolz' geht er durch die Feldkanäle und Wiesen; 
mit jedem Schritt hebt er gemessen den langen Fuß auf, während 
Kopf und Hals beständig vornübernicken. Gewahrt er den fetten, 
zappelnden Frosch, so schleudert er mit einem Rucke seinen spitzen 
Schnabel vorwärts und fängt den Unglücklichen, um ihn in der 
Tiefe seines Kropsschlundes zu verbergen. Geräuschlos ist seine 
Jagd. Plötzlich stößt ihm etwas Ungewöhnliches auf. Nun steht 
er still; das eine Bein zieht sich dicht unter den Bauch hinan und 
umklammert das andere. Der Hals reckt sich forschend in die 
Höhe. So bleibt er regungslos minutenlang stehen, bis er sich 
überzeugt, daß er ungefährdet weiter ziehen kann, oder daß weise 
Vorsicht Flucht gebietet. Der mächtige Körper hat Mühe, sich zu 
erheben. Er macht ein paar ungeschickte Sprünge; einige schwere 
Flügelschläge erfolgen; der Fuß streckt sich nach hinten, und die 
Masse hebt sich kaum über den Boden. Da mit einem Rucke 
schwingt er sich auf, und nun zeigt er uns in herrlichen Zügen 
das Schauspiel seines schönen Fluges. Oft schwimmt er lange 
Strecken ohne Stoß und Schlag dahin, um endlich in schiefer 
Schraubenlinie zu seinem Neste niederzugleiten, wo ihn die hun¬ 
gernde Brut in klappernder Sprache freudig begrüßt. 
Der Storch ist ein vorsichtiger Hausvater. Zwei Wochen 
geht er vor dem Weibchen voraus und kehrt bei uns ein, um 
Rundschau zu halten. H^ kr die alte Dachfirst mit dem ver¬ 
lassenen Neste wieder gefunden, und hat er die Gegend durchspäht, 
dann verschwindet er, um mit seinem Weibchen wiederzuerscheinen- 
Unter seltsamen Verbeugungen und mit fröhlichem Geplapper be¬ 
grüßen sie das Nest und fangen sogleich den Ausbau desselben 
an. Zuweilen kommt es vor, daß er sein Nest vertheidigen muß. 
In den Grenzen seines Gebietes erscheint ein anderer Storch. 
Der Storchmann hat ihn von Weitem geschaut, und in sausendem 
Fluge stürzt er sich seinem Neste zu, um Haus und Weib zu schir¬ 
men. Er hat es erreicht; dicht hinter ihm aber schwebt der Feind. 
Der Storch duckt sich nieder und richtet zischend seinen Schnabel¬ 
spieß empor; zugleich schwingt er die Flügel zum zerschmetternden 
Hiebe. Der Kampf beginnt. Beide Kämpfer bohren sich die 
Schnäbel in Hals und Brust; wüthend schwingen sie sich auf, und 
die Flügel prasseln krachend nieder. Wildes Geklapper erfüllt 
die Luft. Ein tiefer Stich verwundet den einen, und die Käm¬ 
pfer verschwinden in der Weite. Bald kommt der Kampf wieder 
zum Stehen und nähert sich von Neuem dem Neste. Da beginnt 
das Weibchen im Neste zu klappern, gleichsam um den Mann zur 
Ausdauer zu ermahnen. Dieser vernimmt den Ruf. Noch ein 
paar Streiche schwirren durch die Luft; noch einmal fahren die 
Schnäbel zusammen, und der Gegner stürzt zu Boden. Haus 
und Hof sind gesichert. —
	        
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