Full text: Das Mittelalter (Theil 2)

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leichten Wämsern von den Bergen herab und hofften die eiserne Mauer 
zu durchbrechen, doch plötzlich wandten sich die Ritter, zogen sich in Gestalt 
eines Halbmondes um die Schweizer und die tapfersten Männer sielen zu 
den Füßen der Ritter. In dieser Noth warf Arnold von Winkelried 
Wehr und Waffe hinweg und rief mit lauter Stimme: ,,Sorget für mein 
Weib und meine Kinder,' liebe Eidgenossen! Ich will eine Gasse machen." 
Dann sprang er plötzlich aus den Reihen gerade auf den Feind, umschlang 
mit seinen Armen so viel Spieße, als er nur konnte, und begrub sie in 
seine Brust. Im Fallen drückte er die Spieße mit sich auf den Boden, 
so daß die Ritter, welche die Waffen nicht losließen, sich niederbücken 
mußten. Sogleich drangen die Schweizer über Winkelried's Leichnam hin 
und fielen über die Ritter her, deren viele in dem Schrecken und in der 
Eile sogar unverwundet in den schweren Harnischen erstickten, viele, von 
den Bauern umringt, erschlagen wurden. Auch Herzog Leopold von 
Oestreich, ein tapferer junger Herr in blühender Manneskraft, fiel unter 
den Streichen der Eidgenossen, welche drei Tage lang auf dem Schlacht¬ 
felde blieben und ihre Todten begruben oder von den Ihrigen abführen 
ließen. Von dieser Zeit an wurde die Tapferkeit der Schweizer gerühmt 
und gefürchtet; überall hieß es, Gott habe zu Gericht gesessen über den 
muthwilligen Trotz der Herren von Adel. 
Friedrich der Schöne von Oestreich und Ludwig 
der Baier (1322 n. Chr.). 
1. 
Friedrich und Ludwig waren blutsverwandt, beide König Ru- 
dolph's Enkel, Friedrich von väterlicher, Ludwig von mütterlicher Seite, 
denn Ludwig's Mutter Mechthild war eine Schwester König Albrecht's. 
Einst, da Ludwig noch im zarten Iugendalter, war Mechthild mit ihm 
vor den Mißhandlungen ihres andern Sohnes Rudolph zu ihrem Bruder 
Albrecht gen Wien geflohen, dort wurde Ludwig mit Friedrich dem Schönen 
erzogen. So waren Beide in Jugendfreundschaft herangewachsen, Beide 
reich an herrlichen Gaben, muthvoll und ritterlichen Sinnes. Nun begab 
sich's, daß Herzog Otto von Niederbaiern auf seinem Todbett sein unmün¬ 
diges Söhnlein und seine zwei Neffen der Treue seiner Städte Straubing 
und Landshut übergab, daß sie die Waisen schützen und seinen tapferen und 
edlen Vetter, den Herzog Ludwig von Oberbaiern, als Vormund aner¬ 
kennen sollten. Sie thaten's mit Freuden. Aber der niederbairische Adel 
wollte diese Bevorzugung der ihm verhaßten Städte nicht dulden, verband 
sich, die strenge Gerechtigkeitsliebe Ludwig's scheuend, mit Herzog Friedrich 
von Oestreich und übertrug diesem die Vormundschaft. Voll Thatenlust 
und Ruhmdurst nahm Friedrich sie an und als Ludwig sich das nicht ge-
	        
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