Full text: Das Mittelalter (Theil 2)

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mußte. Wehrthürme krönten die Mauern. Sie ragten in gemessenen 
Abständen empor und waren von mannigfacher Bauart, rund, eckig, spitz, 
flach. Um die Stadt war das ganze Weichbild mit einem Graben, einer 
Landwehr, umzogen, deren Zugänge feste Warten bezeichneten. Wächter 
lugten aus ihnen nach den Landstraßen hinaus und meldeten durch Zeichen 
jede Gefahr oder das Herannahen reisender Kaufmannszüge, denen in 
unsicherer Zeit ein bewaffnetes Geleit entgegen ging. Inwendig an der 
Mauer der Stadt durfte sich Niemand anbauen; dergleichen Anbauten 
droheten Gefahr des Verraths oder hinderten das Besteigen der Zinnen. 
In den meisten Städten wandten sich die Straßen gekrümmt, oft im Sacke 
endend, hin und her. Seitdem die Zünfte oder Handwerkerklassen mit 
einander kämpften, schloß man sogar einzelne Gassen durch Thore, oder 
hing des Nachts Sperrketten ein. Das Rathhaus, auch wohl Bürgerhaus 
genannt, ragte über alle Gebäude weltlichen Gebrauchs hervor; auf seinem 
schlanken Thurme hing die Glocke mit dem Glöcklein, die zur Raths- und 
Gemeindeversammlung oder sonst zu wichtigen Dingen riefen. Auf dem 
Rathhausthurme lugte der Wächter iu's Weichbild aus. Kirchen und Rath¬ 
häuser, Kaufhallen und Zunfthäuser wurden von der ganzen Bürgerschaft 
mit großer Ausdauer prachtvoll aufgebaut, besonders die Kirchen und Ka¬ 
pellen. Himmelhoch erhoben sich die Thürme. Soest, das in neuerer Zeit 
fast bis zu einem Dorfe herabsank, zählt noch jetzt sechs bethürmte Kirchen 
und Kapellen. Zur Zeit seiner Blüthe zählte es.zehn stattliche Gottes¬ 
häuser und gegen 27 Kapellen, die Krankenhäuser, Pilgerherbergeu, Marien¬ 
gärten und anderen kirchlichen Anstalten'nicht gerechnet. 
Die Bürgerhäuser blieben Jahrhunderte hindurch sehr einfach. Sie 
bestanden nur aus Fachwerk und ragten mit dem Giebel nach der Straße. 
Die oberen Stockwerke traten über die unteren hervor und verengten die 
schmalen Gassen so sehr, daß sie kaum den Himmel blicken ließen. So 
leichte, enge Bauart begünstigte die ungeheuern Feuersbrünste, welche alle 
unsere Städte so oft heimsuchten, aus denen sie aber eben so schnell sich 
wieder erhoben. 
Die häusliche Einrichtung entsprach der Einfalt des Zeitalters. Der 
Hausrath, ohne Putz, war dem einfachsten Bedürfniß gemäß und roh ge¬ 
arbeitet. Beim Mahle aßen Mann und Frau aus einem Teller; ein 
oder zwei Becher dienten der ganzen Familie; Fackeln und Laternen 
leuchteten bei Nacht den Schmausenden; Kerzen gab es nicht. Die Glasur 
irdener Gefäße kam um diese Zeit erst auf. Selbst in wohlhabenderen 
Häusern wohnte der Sohn des Hauses mit seiner jungen Frau im Hinter¬ 
stübchen bei den Eltern; ohne eigene Wirthschaft ging er bei ihnen 
zur Kost. 
Dennoch aber fand schon das 13. Jahrhundert gesetzliche Beschränkung 
der Prunkliebe und Schwelgerei nöthig, die besonders bei Festen geübt 
wurde. Das erste Gesetz der Art finden wir bei den fröhlichen prassenden 
Wormsern im Jahre 1220. Die Ritter, Richter und Rathleute mit Bei¬ 
stimmung der ganzen Gemeinde, untersagten die Gastmähler und Gelage^
	        
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