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Preis errungen, wenn nicht Nunnenbeck vorher gesungen. Sein Gedicht
war gar sinnreich mit künstlichen Reimen.
3.
Da Michael Behaim sein Gedicht vorgetragen hatte, so verließen die
Merker ihren Sitz. Der erste Merker trat zu Nunnenbeck und mit schmei¬
chelhaftem Glückwunsch hing er ihm den Davidsgewinner um und der
zweite Merker zierte Behaim's Haupt mit dem Kranze, der ihm wohl
stund. Diese Gaben aber waren nicht Geschenke, sondern nur Auszeich¬
nungen für die Feier des Tages. Das Fest in der Kirche war beendigt,
und Alle drängten sich jetzt mit aufrichtiger Theilnahme zu den Begabten,
um ihnen freudig die Hände zu drücken. Auch ich konnte mir das Ver¬
gnügen nicht versagen, meinen Dank dem wackern Behaim laut darzubringen.
In der Nähe stund Haus Sachs, der mich freundlich anredete und den vor
Kurzem geschlossenen Freundschastsbuud erneuerte. Ich bedauerte, daß mir
nicht das Glück geworden wäre, ihn zu hören, und daß ich Nürnberg ver¬
lassen müßte, ohne andere Lieder aus seinem Munde vernommen zu haben,
als die er mir auf der Straße zum Besten gegeben, damals, als ich ge¬
rade zum Hören nicht aufgelegt gewesen. „Liebster Herr Heller, kommt
mit in die Schenke und es soll euch ein Genüge werden", erwiderte er
und ging mit mir Arm in Arm aus der allmälig leer gewordenen Kirche.
Es war Brauch, daß die Meistersänger, insonderheit die jüngeren, sich
nach der Festschule in eine nahe gelegene Schenke begaben, wo in demselben
Grade frohe Ungebundenheit herrschte, als in der Kirche heiliger Ernst.
Hier wurde der Wein getrunken, den der Eine zur Buße, wie der Meister
Kothner, der Andere zur Ehre hergeben mußte, wie Meister Behaim, weil
er zum ersten Male begabt war. Fünf Maß Wein gab es heute züm Nach¬
schmause. Die Meistersänger, etwa sechszehn au der Zahl, gingen über die
Gasse paarweise hintereinander von der Kirche bis zur Schenke. Der be¬
kränzte Behaim eröffnete den Zug. Er hatte die Verpflichtung, für die
Aufrechthaltuug der Ordnung zu sorgen und wie einem Merker mußten sie
ihm Alle folgen. Die geputzten Gäste stachen sonderbar genug von der
Schenke ab, die von Außen und Junen gleich beräuchert und verfallen
aussah. In dem laugen Zimmer standen blos Tische und Bänke von der
Art, wie man sie in Landgärten flndet. Allein heiterer Muth und ein
gutes Glas Wein ließen alle die Mängel übersehen. Tisch an Tisch wurde
zusammen geschoben und zu beiden Seiten setzten sich die Sänger. Obenan
befand sich Behaim. Sein Thron war ein Lehnstuhl und sein Scepter der
Ruhe gebietende Hammer. Ich saß neben Hans Sachs. Als ich, von den
Nachbarn gedrängt, hart anrückte, so merkte ich, daß seine Aermel mit
Fischbeinstäbchen gesteift waren und die-s gab mir Veranlassung, die son¬
derbare Tracht recht genau anzusehen. Die Jacke war von meergrünem
Zeuge mit mehreren Schlitzen auf der Brust, durch die das Hemde vor¬
schimmerte, dessen faltiger Kragen den Hals scheibenförmig umschloß. Die
Aermel waren von schwarzem Atlas, in welchem zackige Einschnitte in be-
Gruve, Geschichtsbilder. II. lg