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den die Gothen ihrem Könige als das letzte Zeichen ihrer Treue errichtet
hatten. Sie gruben das Grab wieder auf, um nachzusehen. Da erkannten
sie die Leiche des Gothenkönigs, und als sie sich satt daran gesehen, legten
sie ihn wieder in sein Grab zur Ruhe und verkündeten die Sache ihrem
Feldherrn Narses. Dieser schickte den Hut und das blutgetränkte Gewand
des Helden nach Konstantinopel und dort wurden diese Ueberbleibsel dem
Kaiser zu Füßen gelegt. Mit stolzer Freude betrachtete sie der Mann,
der nie ein Schwert gezogen und doch so vielen Jammer über die deutschen
Völker gehaust hatte.
4. Tejas, der letzte König der Ostgothcn (553 n. Chr.).
Die Gothen, welche aus dem Treffen entkommen waren, setzten über
den Po und eilten nach Ticinum (Pavia). Dort wählten sie Tejas zu
ihrem Könige. Dieser bemächtigte sich des gothischen Schatzes, den Tici¬
num aufgehäuft hatte, und suchte dafür wieder Mannschaften an sich zu
ziehen. Narses aber eilte zuerst nach Rom, welches die Gothen, die dort
lagen, muthig vertheidigen wollten. Totilas hatte einen großen Theil der
Stadt niedergebrannt; aber das Grabmal Hadrians (auf dem rechten
Tiberufer) hatte er noch mehr befestigt, und dahin brachten nun die Gothen
alle ihre Kostbarkeiten, und wollten diese Veste mit aller ihrer Macht
schützen; die andern Mauern vernachlässigten sie. Die Kaiserlichen konnten
auch nicht alle Mauern zugleich angreifen, sondern nur hier und da, und
auf diesen bedrohten Punkten sammelten sich dann auch die Gothen, und
ließen die dazwischen liegenden Räume frei. An einer solchen unbewachten
Stelle erstiegen einige Kaiserliche die Mauer, und so ward Rom zum
fünften Mal erobert — dreimal von den Kaiserlichen und zweimal von
den Gothen.
Tejas sah wohl ein, daß die Gothen für sich allein dem Kriege nicht
mehr gewachsen wären, und bat darum den Frankenkönig Theodebald um
Hülfe. Allein die Franken wollten weder dem Kaiser noch den Gothen
zu Lieb ihr Leben einsetzen, sondern für sich selber Italien haben. Da
mußte Tejas die Hoffnung aufgeben; er zog südwärts an der Meeresküste
hin. So kam er nach Kampanien, ohne daß ihn der Feind bemerkte. In
Kampanien liegt der feuerspeiende Berg Vesuv, an dessen Fuße ein kleiner
Fluß Draco entspringt, der bei der Stadt Nocera vorbeistießt. Das
Bett des Flusses ist eng und tief, darum der Uebergang sehr schwer. Die
Gothen hatten die einzige Brücke besetzt, durch hölzerne Thürme und Bal-
listen (Wurfmaschinen) befestigt, um ans die andringenden Feinde nieder¬
zuschießen. So war kein Handgemenge möglich, weil der Bach immer
zwischen den Kämpfern war; aber sehr oft standen die Feinde auf beiden
Ufern und suchten sich mit Pfeilen zu erlegen.
Wohl zwei Monate vergingen, und kampfgerüstet standen sich die
Heere gegenüber. Noch hatten die Gothen die Herrschaft über das Meer
und ihre Schisse führten ihnen reichlich Lebensmittel zu. Aber der An¬
führer der gothischen Flotte übergab sie den Kaiserlichen, und zugleich