Full text: Das Mittelalter (Theil 2)

64 
den die Gothen ihrem Könige als das letzte Zeichen ihrer Treue errichtet 
hatten. Sie gruben das Grab wieder auf, um nachzusehen. Da erkannten 
sie die Leiche des Gothenkönigs, und als sie sich satt daran gesehen, legten 
sie ihn wieder in sein Grab zur Ruhe und verkündeten die Sache ihrem 
Feldherrn Narses. Dieser schickte den Hut und das blutgetränkte Gewand 
des Helden nach Konstantinopel und dort wurden diese Ueberbleibsel dem 
Kaiser zu Füßen gelegt. Mit stolzer Freude betrachtete sie der Mann, 
der nie ein Schwert gezogen und doch so vielen Jammer über die deutschen 
Völker gehaust hatte. 
4. Tejas, der letzte König der Ostgothcn (553 n. Chr.). 
Die Gothen, welche aus dem Treffen entkommen waren, setzten über 
den Po und eilten nach Ticinum (Pavia). Dort wählten sie Tejas zu 
ihrem Könige. Dieser bemächtigte sich des gothischen Schatzes, den Tici¬ 
num aufgehäuft hatte, und suchte dafür wieder Mannschaften an sich zu 
ziehen. Narses aber eilte zuerst nach Rom, welches die Gothen, die dort 
lagen, muthig vertheidigen wollten. Totilas hatte einen großen Theil der 
Stadt niedergebrannt; aber das Grabmal Hadrians (auf dem rechten 
Tiberufer) hatte er noch mehr befestigt, und dahin brachten nun die Gothen 
alle ihre Kostbarkeiten, und wollten diese Veste mit aller ihrer Macht 
schützen; die andern Mauern vernachlässigten sie. Die Kaiserlichen konnten 
auch nicht alle Mauern zugleich angreifen, sondern nur hier und da, und 
auf diesen bedrohten Punkten sammelten sich dann auch die Gothen, und 
ließen die dazwischen liegenden Räume frei. An einer solchen unbewachten 
Stelle erstiegen einige Kaiserliche die Mauer, und so ward Rom zum 
fünften Mal erobert — dreimal von den Kaiserlichen und zweimal von 
den Gothen. 
Tejas sah wohl ein, daß die Gothen für sich allein dem Kriege nicht 
mehr gewachsen wären, und bat darum den Frankenkönig Theodebald um 
Hülfe. Allein die Franken wollten weder dem Kaiser noch den Gothen 
zu Lieb ihr Leben einsetzen, sondern für sich selber Italien haben. Da 
mußte Tejas die Hoffnung aufgeben; er zog südwärts an der Meeresküste 
hin. So kam er nach Kampanien, ohne daß ihn der Feind bemerkte. In 
Kampanien liegt der feuerspeiende Berg Vesuv, an dessen Fuße ein kleiner 
Fluß Draco entspringt, der bei der Stadt Nocera vorbeistießt. Das 
Bett des Flusses ist eng und tief, darum der Uebergang sehr schwer. Die 
Gothen hatten die einzige Brücke besetzt, durch hölzerne Thürme und Bal- 
listen (Wurfmaschinen) befestigt, um ans die andringenden Feinde nieder¬ 
zuschießen. So war kein Handgemenge möglich, weil der Bach immer 
zwischen den Kämpfern war; aber sehr oft standen die Feinde auf beiden 
Ufern und suchten sich mit Pfeilen zu erlegen. 
Wohl zwei Monate vergingen, und kampfgerüstet standen sich die 
Heere gegenüber. Noch hatten die Gothen die Herrschaft über das Meer 
und ihre Schisse führten ihnen reichlich Lebensmittel zu. Aber der An¬ 
führer der gothischen Flotte übergab sie den Kaiserlichen, und zugleich
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.